berliner szenen: Intensive Blicke am Käseregal
Im Schöneberger Kaufland schiebe ich antriebslos den Einkaufswagen herum und lasse mich von jeder bunten Verpackung und jeder attraktiven Person ablenken. Bei den Dosenwaren steht ein Typ, der von hinten gut aussieht. Ich stelle meinen Wagen neben seinen. Er stützt sich lässig ab, sein Kopf ruht auf seinen tätowierten Händen. Ich schlupfe zwischen die Wagen und seine bezaubernden blau-grünen Augen treffen meine roten, dunkel-umringten Kater-Augen. Ich greife beliebig ins Regal nach zwei Dosen gehackten Tomaten, „italienisch“ gewürzt. Ich finde, sie schmecken nach Kotze, aber will den Flirt nicht unterbrechen. Ich lächele ihn sinnlich an und gehe zum anderen Ende des Ganges. Wir wissen beide, was hier Phase ist. Bei der vorgespielten Suche nach irgendetwas werfe ich ihm einen geschickten Blick zu – die meeresfarbenen Augen schauen mich direkt an. Auch sein Nacken und seine Schulter sind tätowiert. Ich sehe keine kitschigen Kaffeekannen oder Monsterablätter und stelle mir seinen intensiven Blick in einer ganz anderen Situation vor.
Noch dreimal kreuzen sich unsere Wege und Blicke. Der Spannungsbogen erreicht bei den Milchprodukten seinen Höhepunkt. Längst vergessen habe ich den Hunger nach mildem Fett in Form billiger Käsescheiben, der mich überhaupt hierher geführt hat, und lungere herum, während er offenbar darauf hinarbeitet, mich anzusprechen. Eine leichte Röte schleicht seinen Nacken hoch. Außen hart, innen weich. Genau mein Typ. Seine Augen flitzen zu mir und zurück zum Käse. Er greift zu den Babybels, schmeißt gewollt-lässig drei Packungen in seinen Wagen, schaut mich ein letztes Mal verstohlen an, Gesicht jetzt vollrot, wendet mir den Rücken zu und schiebt seinen Wagen – ausschließlich mit italienisch-gewürzten Dosentomaten und Babybels gefüllt – hastig zur Kasse.
Nina Kashi Street
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