berliner szenen: Posaune wieder gängig
Posaunenfix kaufen, das ist meine letzte Shoppingaktion heute. Ich will meine alte Posaune wieder zum Leben erwecken. Das Posaunenfix kommt ins Spiel, weil es die Züge des Instruments wieder gängig macht. Der Inhalt meiner Tube ist über die Jahre eingetrocknet wie das letzte Grün im Farbtiegel. Im Musikgeschäft ist es leer, die Zeiten, da man sich ums Notenmaterial drängte, sind passé. Muss ich bestellen, sagt die Verkäuferin, während sie die unterste Schublade des mächtigen Schranks hinterm Tresen zurückschnellen lässt.
Fein, denke ich bei mir, dann muss ich noch mal hin – und werde sie fragen, ob wir mal ins Café gehen. Ist gut, sage ich, kann ich gleich bezahlen? Sie nickt kurz. Mir gefällt ihr vom Grübchenlächeln flankiertes Nicken. Sie schnörkelt „bez.“ oben rechts auf den Bestellblock und dann auf ein winziges, ganz schwach bedrucktes Abholzettelchen, das sie mir gibt. Sogar das gefällt mir.
Wenige Schritte später bin ich zu Hause, setze Teewasser auf und sinke in meinen Sessel, etwas matt vom Tag. Da klingelt’s an der Tür. Und schon steht die Verkäuferin von vorhin im Zimmer, ein Schächtelchen Posaunenfix in der Hand. Sie sagt: War in der zweituntersten! Und greift nach der Ambassador, die wie ein zu wickelndes Kind auf dem Tisch liegt. Zu meinem Erstaunen fettet sie nun die langen Züge und beginnt, auf dem Instrument zu improvisieren. Toll, denke ich, Jazz, wusste ich gar … krass fetzig, fast wie Trombone Shorty. Da sind auch wieder ihre Grübchen. Ich sinke tiefer in die Kissen. Sie hält Blickkontakt mit mir. Ich genieße das. Aber etwas ungläubig. Dann schraubt sie das Instrument in posaunenunüblich hohe Lagen. Den höchsten Ton hält sie, lässt ihn sogar noch anschwellen. Ich schrecke auf. Der Teekessel pfeift. Daneben ruht meine Posaune.
Felix Primus
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