berliner szenen: Wohin mit den Plakaten?
An einem Samstag versuche ich am Ku’damm Werbung für eine Reihe von Erinnerungsveranstaltungen über NS-Verfolgte zu machen. Da die Veranstaltungen umsonst sind und eine von ihnen auch auf dem Ku’damm stattfindet, hatte ich es mir leicht vorgestellt, die Erlaubnis zum Auslegen von Flyern und Anbringen von Plakaten zu erhalten. Ein Irrtum. „Ich hab hier gar nichts zu melden“, meint der Verkäufer im ersten Laden, einem Brillengeschäft. „Aber mein Chef würde ganz sicher Nein sagen. Wir machen nur Eigenwerbung.“ Auch die Bäckereiverkäuferin nebenan winkt ab: „Bei dem Thema würde ich sofort Ja sagen. Aber an den Fenstern darf nichts angebracht werden und eine Auslage haben wir nicht.“
Nach zwei Stunden mal freundlicherer, mal schrofferer Abweisungen fällt mein Blick auf einen Altbau, auf dessen Schaufensterscheibe in großen weißen Lettern steht: „Praxisaufgabe auf Grund: Versicherer kündigt wegen fehlendem Brandschutz! Gefahr für Leib und Leben laut Gutachten. Untätigkeit des Vermieters.“ Ich muss schmunzeln. Es geht also doch noch mit den Botschaften im öffentlichen Raum.
Da entdecke ich eine Seniorenresidenz. An der Rezeption befindet sich niemand. Dafür winkt mich eine Dame zu sich: „Was wollen Sie denn?“ Ich erzähle ihr von dem Programm. Sie fragt: „Und das ist echt umsonst?“ Ich nicke. „Und barrierefrei?“ Ich nicke wieder. Sie erzählt, sie gehe nur noch äußerst selten raus: „Und hier ist es sterbenslangweilig. Nur Gedächtnistraining und Essen und Gedächtnistraining und Essen.“ Sie stöhnt: „Alt werden ist echt niemandem zu wünschen.“ Als ich nach einer Weile erkläre, dass ich weiter müsse, bittet sie mich um zehn Flyer: „Ich gebe die weiter. Kann ja nur besser sein als unser Programm hier.“
Eva-Lena Lörzer
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