berliner szenen: Autorin, so geht’s schon mal los
Wir, W. und ich, sitzen draußen an einem Tisch im Slumberland in Schöneberg. Hinter uns werden Karten gespielt, vor uns eine Gruppe Männer an einem Stehtisch. W. und ich reden über unsere Vulven und merken, wie es am Kartentisch still wird. Wir müssen grinsen.
Nebenher beobachte ich, wie am Stehtisch einer mit Kappe und rotem Pulli Frauen anspricht: „Entschuldige, liest du und hast du einen Lieblingsautor?“, fragt er eine Frau mit langen Haaren. „Ich lese nur Sachbücher“, sagt sie. „Ah okay, was wir auch eigentlich fragen wollten, ob du meinem Kumpel ein Küsschen geben kannst? Er heiratet.“
„Dafür bin ich echt nicht die Richtige, aber alles Gute beim Heiraten“, sagt die Frau und geht weiter. Der Bräutigam sieht kurz enttäuscht aus.
„Fahren wir jetzt in den Monarch? Da können wir tanzen“, sagt W. mit Blick aufs Handy. Wir fragen die Bedienung, ob wir unsere Weinschorlen in Pappbecher umschütten können. „Klar,“ sagt er, „bring ich euch.“ W. geht zur Toilette und wird auf dem Rückweg nach ihrem Lieblingsautor gefragt: „Autorin“, sagt sie. „So geht’s schon mal los.“ Sie lacht zu mir herüber, ich sehe sie beschwörend an. Der Typ macht den Spruch mit dem Heiraten und W. ruft: „Na klar kriegste ’n Küsschen.“ Sie küsst den Bräutigam auf die Backe, das freut ihn. Ich gehe zu seinem Tisch.
L. heiratet am Donnerstag, erzählt er. „War auch für mich überraschend, so schnell.“ Seine Freundin und er wollen Kinder bekommen und müssen sich im Kinderwunschzentrum behandeln lassen. Da die Krankenkasse die Behandlung nur bei Verheirateten zahlt, heiraten sie jetzt. Sehr zeitgemäß, denke ich, Unverheiratete auf diese Art zum Trauschein zu zwingen. Der Bräutigam sieht ganz glücklich aus. Ich glaube, er freut sich auf seine Kinder. isobel markus
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