berliner szenen: Voll dumm, einzeln zu fahren
Wegen eines Waldbrandes fährt die S75 nur bis Olympiastadion. Ich wiederhole: Der S-Bahnverkehr ist ab Olympiastadion unterbrochen.“ Die Fahrgäste drängen mitsamt Kinderwagen, Fahrrädern, Rollatoren, Rollern und Rollkoffern raus und nach oben.
Vor dem Bahnhof steht eine Horde Fußballfans. Ein paar Männer in cremefarbenen Bundfaltenhosen und Hemden mit Fußballschals grölen schunkelnd „Layla“ und verschütten dabei Bier. Ich bestelle ein Taxi. Mehr als zehn Wagen fahren vor. Doch immer, wenn ich meine Bestellnummer nenne, winken die Fahrer ab. Ein Typ mit Käppi scheint das gleiche Problem zu haben: Er spricht alle Taxifahrer an, wird jedoch immer abgewiesen. Kurz überlege ich ihm zu sagen, dass er mit mir mitfahren kann, sobald mein Taxi kommt. Doch dann denke ich, das wäre seltsam und lasse es.
Nach einer Viertelstunde bremst ein Taxi vor mir ab. Als ich die Tür öffne, sehe ich, dass auf der Rückbank bereits jemand sitzt, erkenne den Typen mit dem Käppi. Der Taxifahrer meint: „Er hat darauf bestanden, dich mitzunehmen. Meinte, du stehst hier schon ewig.“ Ich muss grinsen: „Ich dachte auch schon daran, ihn mitzunehmen.“ Der Typ mit dem Käppi guckt verlegen. Ich muss lachen: „Dann dachte ich, das könnte missverständlich wirken.“ Der Taxifahrer lächelt: „Wenn das nicht das perfekte Kennenlernen ist! Schicksal. Ich bin auch nur durch Zufall in der Gegend gelandet und habe die Wartenden gesehen.“ Ich winke ab: „Das nennt man Schicksalsgemeinschaft. Wie beim Trampen.“ In Spandau angekommen teilen wir die Rechnung. Der Taxifahrer lacht: „Ihr seid echt cool. Ist auch voll dumm, einzeln zu fahren und den vollen Preis zu zahlen, wenn man in dieselbe Richtung muss.“ Der Käppi-Typ nickt: „Und schlecht für die Umwelt.“
Eva-Lena Lörzer
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