berliner szenen: In der Zeitschleife gefangen
Ich hänge gefühlt in einer Dauerschleife. Erst dachte ich, das sei Corona geschuldet. Dann schob ich es aufs Alter. Zwischenzeitlich war ich sicher, es läge am Wetter. Das änderte sich auch nicht mehr. Es ist wie eine Kulisse für den immer gleichen pandemischen Tagesablauf: aufstehen, arbeiten, essen, sich mit dem Kind über Schule streiten, duschen, ins Bett gehen. Ich hab ein bisschen vergessen, wie das früher war: Freunde besuchen, Kino, Theater, Urlaub … Ist ja auch schon lange her das alles, was Abwechslung ins Leben brachte.
Aktuell scheitere ich schon an den Wochentagen. Denn es gab fatale Abweichungen vom Immergleichen. Sonntag früh war das Warmwasser ausgefallen. Der Notdienstinstallateur erklärte am Telefon, Warmwasserausfall sei kein Notfall. Auch nicht im Winter. Dann kam er doch. Sonntagabend gab es folglich warmes Wasser zum Duschen. Montag war es wieder weg. Damit muss man erst mal klarkommen. Statt also abends zu duschen, sitze ich vorm Rechner, weil: digitaler Elternabend. Der letzte war vor einem Jahr. Das bringt mich völlig aus dem Gleichgewicht.
Dienstagabend im Büro wundere ich mich, dass die montägliche Dienstbesprechung ausfällt. Kollege A versichert mir glaubhaft, es sei doch Dienstag. Und fragt, warum ich nicht beim Yoga sei. Dabei ist das doch immer mittwochs. Am nächsten Morgen treffe ich Kollege B. im Fahrstuhl. Mit Croissant und Cappuccino. Ach ja, das Gratis-Frühstück für Mitarbeiter, wie jeden Donnerstag. „Nee, das hab ich selbst bezahlt“, sagt B. „Heute ist doch erst Mittwoch.“
Eine Konstante aber bleibt: „Das fuckt mich total ab, ich mach das ohne dich!“, brüllt mich der Teenager an, mit dem ich zum Englischlernen verabredet bin. Türenknallend verlässt er das Wohnzimmer. Ich mag, wenn es Konstanten im Leben gibt. Gaby Coldewey
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