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berliner szenenIch war Berlin, Berlin war ich

Vor einem Döner-Imbiss an der Warschauer Brücke sitzen junge Menschen beim Frühstücksbier. Zusammen mit der Vormittagssonne und nicht verschreibungsfähigen Mitteln zaubert es einen entrückten Glanz in ihre vollverstrahlten Gesichter.

„… was die durchgemacht haben“, brummt meine Frau – den Anfang des Satzes habe ich nicht verstanden. Kein Grund für mich, nicht sofort zu widersprechen: „Sorry, aber die tun mir echt überhaupt nicht leid“, sage ich. „Selber schuld. Die hätten auch einfach um elf ins Bett gehen können wie normale Leute …“ Ich entblöde mich nicht, die faschistoide Kategorie obendrein zu präzisieren: „… wie GANZ NORMALE Leute. Wie wir!“

Ohnehin wirken sie weniger bedauernswert als vielmehr extrem happy, so zwischen Hour und Afterhour von der Last jeglicher Er­innerung befreit. Die Augen sind leer, die Hirntätigkeit chillt auf Sparflamme. Sie säen nicht, sie ernten nicht, und der Herr stellt ihnen doch ein Sternburg auf den Tisch.

„Was hast du denn verstanden?“ Sie wundert sich. „Ich hab doch nur gesagt, ich glaube, dass die durchgemacht haben.“ Hupps, ja, das haben sie wohl. Ich sollte mir mal wieder die Ohren auspusten lassen. Ich glaube allerdings, dass der Begriff „durchgemacht“ sowieso total veraltet ist, weil er für die tageszeitfluide Jugend längst nicht mehr relevant sein dürfte. Das haben wir vielleicht im zwanzigsten Jahrhundert noch gesagt.

Vermutlich bin ich bloß neidisch auf die Clubgänger. Denn lang ist es her, dass ich noch spätabends unternehmungslustig raus bin und rüber zur Tanke, um mir dort eine Brause zu holen, die ich anschließend hastig in einer dunklen Straße leerte. Ich kam mir verwegen und aktiv vor, ein Kind der Nacht, ich war Berlin, Berlin war ich. Vorbei. Uli Hannemann

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