berliner szenen: Ein Vorgarten für alle
Der Kiosk an unserer Straßenecke verkauft Kaffee und Snacks. Früher konnte man das auf einer Bank direkt vor dem Laden konsumieren. Seit Corona ist diese Bank mit rot-weißem Flatterband gesperrt. Jetzt sitzen die Leute auf der Mauer vor unserem Vorgarten. Im Sommer ist das oft anstrengend, weil laut. Auch der Tabakqualm nervt. Aber man gewöhnt sich.
Bizarr finde ich hingegen, wenn sich diese Menschen, häufig Eltern mit kleinen Kindern, in unseren Vorgarten hinein ausbreiten. Also wenn sie ihre Kinder da Ball oder Fangen spielen lassen, während sie selber Kaffee trinken oder mit ihrem Handy beschäftigt sind.
Kürzlich standen zwei Kinder an unserem Erdgeschossbalkon und versuchten, daran hochzuklettern. Sie waren noch keine 5. „Entschuldigung, würden Sie bitte auf Ihre Kinder achten“, sagte ich betont höflich. Der Vater drehte sich kurz um und schaute dann wieder auf sein Smartphone. „Das hier ist unser Vorgarten, nicht der verlängerte Park“, sagte mein Mann deutlich ungehaltener. „Ach“, mischte sich jetzt die Mutter ein, „das ist IHR Garten? Das wussten wir nicht, dass Vorgärten privat sind.“ Man fragt sich ja schon, ob das Dummheit oder Dreistigkeit ist. Die Kinder versuchten derweil laut schreiend, den Nachbarbalkon zu erklimmen.
Ein paar Tage später stand eine Gruppe Erwachsener mit Cocktails to go in unserer Einfahrt. Erst dachten wir, es seien Freunde der Nachbarn. Sie hatten diverse Kinder dabei, die auf Laufrädern schreiend und lachend hin und her fuhren, während die Mütter sich laut unterhielten. „Ach, das ist keine öffentliche Fläche?“, fragte eine naiv. Wir hatten sie höflich darauf hingewiesen, dass dies eine private Hauseinfahrt sei. Vielleicht sollten wir eine Selbstschussanlage bauen. Oder einen Getränkeverkaufsstand. Gaby Coldewey
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