berliner szenen: Von roten Ampeln verflucht
Eigentlich nerven rote Ampeln. Besonders, wenn man es eilig hat. Und auch, weil an roten Ampeln nichts Spannendes passiert, außer dass Menschen und Autos die Straße passieren. Gestern schien es gar, als wäre ich von roten Ampeln verflucht. Ausgerechnet an dem Tag, an dem ich durch die halbe Stadt mit dem Fahrrad flitzen musste. Von Schöneberg bis in den Wedding.
In Moabit, an der gefühlt zehnten roten Ampel, setzte dann beim Warten unerwartet ein Unterhaltungsprogramm ein. Ein Typ mit einer Rennradbrille, die aber nicht getönt war, sondern einfach verglast, bremste mit seinem Rad abrupt ab und tippte eine junge Frau mit langen Dreadlocks an, die genau vor mir mit ihrem Fahrrad an der Ampel wartete. „Du heißt doch Johanna K.“, fragte sie der Typ, der auch ihren vollständigen Namen nannte. Die Frau schien sichtlich irritiert, nahm ihre Kopfhörer ab und fragte: „Was?“ Der Mann mit der verglasten Rennradbrille wiederholte seine Frage, woraufhin die Frau von ihrem Fahrrad abstieg und es näher an ihn schob, dabei fragend: „Woher weißt du das?“ Der Mann grinste breit und sagte, dass er das an ihrem Gesicht ablesen könnte. Etwas angewidert, aber auch ziemlich neugierig verfolgte ich nun diese seltsame Konversation. Weiter sagte er, dass sie sich kaum verändert hätte, und ich dachte nur: Spinner. Vor allem: Warum ignorierte sie ihn nicht einfach? Die Frau aber sagte, dass sie gerade auf dem Schlauch stehen würde. Dass sie nicht wüsste, wer er sei. Ich verdrehte innerlich die Augen. Checkte sie denn nicht, dass das eine Anmache war? Oder hieß sie wirklich Johanna K.? Musste sie ja wohl, sonst wäre sie doch nicht extra vom Fahrrad abgestiegen. In dieser spannenden Phase schaltete die Ampel auf Grün – und zum ersten Mal wünschte ich mir, die Ampel wäre länger rot geblieben. Eva Müller-Foell
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