berliner szenen: Protest, so elegant wie lange nicht
Seit ein paar Wochen hat mein Nachbar Ole nur noch ein Thema: „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ Jetzt geht es los mit dem Einsammeln von Unterschriften, um den nächsten Schritt bei dem Volksbegehren zu gehen, und sein Anspruch ist es, dass wir das schönste mit der Kampagne solidarische Haus in der ganzen Stadt haben. Wenn Sie diese Zeilen lesen, wird es bereits so sein, dass wir als direkt vom Mietenwahnsinn bedrohte Hausgemeinschaft (googeln Sie einfach mal „Pears Global“) nicht bloß ein paar ranzige Transpis aus den Fenstern hängen haben, auf denen unterkomplexe Botschaften zu lesen sind wie „Fuck the system“ oder so etwas. Das Haus wird mit feinsten Stoffbannern bekleidet sein und elegant, stolz und trotzig in den Kampagnenfarben von Deutsche Wohnen & Co. enteignen! in Lila und Gelb leuchten.
Mein Nachbar Ole hat bei seiner Vorbereitung eine Zeichnung unseres Häuserblocks angefertigt, in die er jedes Fenster und jeden Balkon eingetragen hat. Dann hat er alle Mietparteien abgeklappert, um sie von seiner Idee, eine Art Vorzeigehaus für das Enteignungsbegehren zu werden, zu überzeugen. Wie das so ist: mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Diesen oder jeden Mieter wollte er unbedingt noch gewinnen, damit es am Ende auch an der ganzen Fassade gleich gut aussieht. Mit einer kleinen Gruppe aus dem Haus wurden dann die Stoffbanner geschneidert. Sie werden nun von unseren Balkonen hängen, und ich bin mir sicher, so gut und elegant wie bei uns sah Protest schon lange nicht mehr aus in Berlin. Fans von Deutsche Wohnen & Co. enteignen! werden bei uns vorbeipilgern, um Selfies vor diesem Traum in Lila und Gelb zu machen. Und wer es uns gleichtun möchte: Ich bin mir sicher, Ole reicht sein Schnittmuster für die Stoffbanner gern weiter. Andreas Hartmann
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