berliner szenen: Wenn der Schmerz wie ein Blitz trifft
Wenn es nur ein bisschen wehtut, stöhne ich und schaue ihm tief in die blaugrauen Augen. Seine Augen warten schon auf meine Reaktion. „Tut es weh?“, fragt er mich mit seinem Blick. „Ein bisschen.“ – „Oh ja!“ – „Es geht“, antworte ich mit meinem. Dann schweigen unsere Augen eine Weile, während er verschiedene Punkte auf meinem Arm drückt. Wenn der Schmerz mich wie ein Blitz trifft und wie ein elektrischer Fluss meinen Körper durchströmt, entschuldige ich mich paradoxerweise bei ihm. Denn auch wenn der Körper aus Reflex das automatisch macht, es ist nicht schön, den Physiotherapeuten zu treten, als wäre er ein Sandsack.
Wir lachen darüber. „Das macht Spaß, ja?“, fragt er. Dann nimmt er mehr Kamille-Creme und arbeitet weiter. Ich sehe, dass er orange Happy Socks trägt, die Motive kann ich nicht erkennen, die Jogginghose hatte ich schon bemerkt, so wie ich bei meinem ersten Besuch, als ich früher als er ankam, merkte, wie er seine Lederjacke einfach warf und seine Maske schief und locker aufsetzte.
Bei einer Stufe unter der Schmerzgrenze schlage ich ihn nicht, sondern schaue aus dem Fenster. Ich schaue auf die grauen Gebäude eines Berliner Viertels im Osten und beobachte, wie manche Leute auf die Tafel am Bahnhof starren, um die Sekunde zu erwischen, in der sich endlich etwas ändert. Während er mein Handgelenk massiert, konzentriere ich mich auf die Geräusche der großen Straße, die es trotz Doppelfenster zu uns hereinschaffen.
Es regnet, es ist vier Uhr, es wird dunkel. Trotz Schmerzen hat es etwas Gemütliches, dort in der Praxis zu liegen. Und was Melancholisches. Ich würde fast eine Zigarette anzünden wollen und den Physiotherapeuten fragen: „Woran denkst du?“, wenn er die Stirn runzelt.
Luciana Ferrando
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