berliner szenen: Wieso bist du gegen Berlin?
Der Ordner am Eingang zum Jahn-Sportpark verteilt grüne und gelbe Bändchen. Gelb stehe für den BFC, grün für Bischofswerda. „Wir sind neutral“, sage ich. „Neutral geht nicht, ihr müsst euch entscheiden“, insistiert er. Ich entscheide mich gegen den BFC. Mein Sohn wundert sich, als man ihm auch ein grünes Bändchen ums schmächtige Handgelenk legt. „Wieso bist du gegen Berlin? Ich will nicht für Wiesenwerda sein. In welcher Liga spielen die überhaupt?“ Als ich durchzähle und in der vierten Spielklasse ankomme, zweifelt der Nachwuchs an meiner Zurechnungsfähigkeit. „Es geht um Fußball und das Stadionerlebnis“, versuche ich zu erklären, „das ging doch so lange nicht wegen, na, du weißt schon.“
Vierte Liga? Kein Kommentator und keine Zeitlupen. Keine Videowall, sondern nur ein ziemlich leeres Stadion, in dem sich vielleicht 600 Zuschauer im Schattenbereich zusammenpferchen. Die sonnigen Bereiche sind mit Trassierband abgesperrt, jeder, der einen Platz an der Sonne ergattern will, wird von den Sicherheitsleuten angeraunzt. Wegen „Corona und so“ gibt’s kein Pardon. Es ist nicht die einzige sinnfreie Coronamaßnahme. Im begehbaren Stadion-Außenbereich herrscht Maskenpflicht, sobald man einen Rang mit Sitzplätzen erreicht, kann das Textil ab. Wenn wir nach links blicken, sehen wir die Dynamo-Fans im Pulk, ansonsten glotzen uns leere Sitzschalen an. Warum sie die Anhänger nicht gleichmäßig in der Arena verteilen, bleibt ein Geheimnis der Organisatoren. Warum sich ein Ordner in der Halbzeitpause lange mit BFC-Fans ohne Masken unterhält, uns aber zur Ordnung ruft, ist noch so ein Mysterium.
Wir pulen das grüne Bändchen ab. Wer weiß, was passiert, wenn die Weinroten verlieren sollten. Aber die Gefahr besteht nicht. Der BFC gewinnt, 6:2. Markus Völker
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