berliner szenen: Der bloß kleine Unterschied
Vor Kurzem mistete meine Freundin Edyta ihre Wohnung aus. Alles, was sie nicht mehr brauchte, stellte sie bei eBay Kleinanzeigen ein. Darunter eine kleine rote Lampe von Ikea. Ich hatte so ein Teil auch mal. Was mich damals zum Kauf animiert hat, ist mir heute schleierhaft.
Eine kleine Lampe, vollständig aus rotem Plastik, die ein bordellmäßiges Licht verströmt, das weder zum Lesen reicht geschweige denn irgendeine Form von Romantik oder Behaglichkeit transportiert. Diese Lampe ist einfach Kitsch in Reinform. Und sie stand in meiner ersten Studentenbude auf einem weißen Expedit-Regal, diesem uninspirierten Raumteiler, den damals gefühlt jeder nutzte.
Meine Freundin Edyta gab für diese Lampe eine Anzeige auf und wunderte sich, warum auf die Anzeige so viele Nachrichten eintrudelten. Schließlich hatte Edyta die Lampe nicht zum Verschenken angeboten, sondern für zehn Euro. Ein Preis, der den Neupreis nicht unterbietet. Aber was soll’s, es soll ja auch Sammler von Ikea-Produkten geben. Oder Nostalgiker, die den Kitsch aus dem Kinderzimmer zurückwollen. Die ersten Nachrichten verstand Edyta nicht. Warum soll diese Lampe putzen können? Warum soll die Lampe Deutsch sprechen können? Warum will jemand die Lampe mieten? Was zur Hölle ist in die Leute gefahren? Warum löst diese Lampe einen solch abstrusen Fragenkatalog in den Leuten da draußen aus?, fragte sich Edyta, bis jemand schrieb: „Hey, Menschenhandel ist verboten. Aber dem Bild nach zu urteilen, haste dich wohl vertippt.“ Meine Freundin Edyta ging daraufhin noch mal Wort für Wort die Anzeige durch, bis es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. Ihre Anzeige: „Verkaufe Rotlichtschlampe für 10 Euro, ist zwar gebraucht, aber noch gut in Schuss. Nur für Selbstabholer.“
Eva Müller-Foell
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