piwik no script img

berliner szenenDu hast mich beleidigt

Vor dem roten Kleinwagen komme ich sicher noch bequem über die Fahrbahn. Schließlich muss er erst noch stoppen, nach links und rechts gucken und dann die viel befahrene Radfahrerstraße vorsichtig kreuzen. In der Praxis aber spart er sich das alles und fährt mir fast über die Füße. Ich muss sogar ein Stück zurückhopsen. „Bist du bescheuert?“, rufe ich dabei durch sein geöffnetes Fenster.

Es quietscht: Vollbremsung. Der Typ springt raus und rennt auf mich zu. „Du hast mich beleidigt!“ Er brüllt. Ruhig brülle ich zurück, doch meine Einlassungen interessieren ihn nicht. „Du hast mich beleidigt“, wiederholt er, als hätte die Lautstärke zuvor nicht genügt, und fügt hinzu: „Habe ich dich beleidigt?“

„Nö“, muss ich zugeben. „Arschloch“, sagt er und steigt wieder ein. Während ich meinen Weg fortsetze, mache ich mich an die Auswertung: Was lief denn heute gut und was weniger gut?

Zunächst mal die positiven Punkte. 1. Stehenzubleiben, als er aus dem Auto springt, und ihn frontal zu erwarten. 2. Kein Jota zurückzuweichen, als er mich aus nächster Nähe anschreit. 3. Noch lauter zurückzuschreien. 4. Keine Angst zu verspüren. 5. Die Sache verbal nicht noch weiter zu eskalieren.

Damit sind wir bei den Punkten, die negativ gelaufen sind. 1. Die Sache verbal nicht noch weiter zu eskalieren, denn nur so wären wir quitt gewesen. 2. Meine katastrophale Schlagfertigkeit – mögliche Repliken auf sein „Hab ich dich beleidigt?“ wären u. a. 2.a. „Heul doch“, 2.b. „Nee, aber ich hab ja auch nen Grund“, 2.c. „Ich hab dich nicht beleidigt, ich hab nur ne Frage gestellt“, 2.d. „Warum fährst du auch mit offenem Fenster?“ Das ist wirklich der Hauptpunkt, an dem ich noch arbeiten muss. Meine Schlagfertigkeit ist ein Orgasmus in der U-Bahn auf der Heimfahrt nach dem Date. Uli Hannemann

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen