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berliner szenenHörbuch hörenim Taxi

An der Schönhauser Allee steige ich ins Taxi. Trotz des meteorologischen Frühlingsanfangs ziehen die wenigen Passanten immer noch große Atemwolken hinter sich her. Der Fahrer dreht sich zu mir um, zieht seine buschigen Augenbrauen hoch und schaut mich über seinen Brillenrand hinweg an. „Wohin?“ – „Alt-Moabit“. Der alte Mercedes setzt sich in Bewegung.

Taxifahrer sind ein eigener Menschenschlag, so viel nächtlichen sozialen Kontakt hat sonst kaum eine Berufsgruppe. Auf die wechselnde Kundschaft reagiert jeder Fahrer anders. Es gibt die Geschwätzigen, die Schweigsamen und die, die jede Konversation von vornherein durch ohrenbetäubende Musik unmöglich machen. Mein Taxifahrer scheint einer scheuen, mir bisher unbekannten Gruppe anzugehören: den Hörbuchhörenden. Nach den ersten zwei Fahrminuten erklärt er: „Das ist ein Hörbuch“ – „Hör ich, ja.“ Er nickt zufrieden. Ich versuche mich auf die angenehme Frauenstimme zu konzentrieren, sie liest einen Krimi. „Spielt in den 60ern in Berlin. Holle heißt die Frau und sie erzählt ihrer Enkelin, wie sie damals mit zwei anderen einen Doppelagenten umgebracht hat. War aber nur Notwehr.“ – „Ah ja.“

Trotz seiner Erklärung komme ich nicht mit. Mir fehlen die Informationen, die die dreizehn Fahrgäste vor mir mitbekommen haben müssen. Der Gedanke dieser zufälligen Verbundenheit gefällt mir. Gemeinsam könnten wir unser bruchstückhaftes Wissen wie ein Puzzle zusammensetzen. Unser Taxifahrer dagegen hat alles mitbekommen. Mit wie vielen er wohl schon seine Hörbücher geteilt hat? Wir stehen vor meinem Haus, der Motor läuft, ich suche Kleingeld im Dunkeln. „Ist gleich vorbei. Magst du noch mit zu Ende hören?“ – „Klar.“ Dann hören wir in stiller Vertrautheit die letzten Minuten seines Hörbuchs. Marlene Militz

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