■ berlin spinnt: Gerührt, nicht geschüttelt
Zu Zeiten der Teilung, ja, da war Berlin was Besonderes. Eine Weltstadt, eine bedauerte zwar, aber immerhin. Sogar in Hollywood war sie immer für einen Spionageschinken gut. Heute gibt's aus Berlin die ballernden Sat-1- Helicopters mit Serien-Fast-food und von drei Krösussen des Planets Hollywood schöne Grüße aus der Brutzelpfanne. Selbst Armin Müller-Stahl, eine der wenigen deutschen Hollywood-Größen, hatte in der Stadt endgültig seine Zelte abgebrochen.
Doch jetzt ist Armin Müller- Stahl zurück – als Achim Detjen in einem Mehrteiler auf B1. Achim Detjen ist ehemaliger Jagdflieger der deutschen Luftwaffe und immer auf der Pirsch nach Alt-Nazis, die in der Nachkriegs-Bundesrepublik beim Aufbau der Bundeswehr mitmischen. Tatsächlich heißt Detjen jedoch Werner Bredebusch und ist Agent der DDR- Staatssicherheit. Einer von Markus Wolfs „Kundschaftern für den Frieden“, denen in den DDR- Fernsehfilmen „Das Unsichtbare Visier“ in den 70er Jahren die seltene Ehre der Öffentlichkeit zuteil wurde. Seit kurzem wird die neunteilige Serie mit dem Stasi-Bond montags zur vormitternächtlicher Stunde wiederholt. Die Weihnachtszeit war schon in der DDR der traute Sendeplatz für die heimeligen Geschichten aus dem Kalten Krieg, die wegen ihrer Spannung regelmäßig Quotenrenner wurden.
Das könnte der Grund sein, warum der SFB die MfS-Thriller in vier Jahren zum nunmehr dritten Mal zeigt. Oder ist es der „Mut zur historischen Wahrheit“, den der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) als weihnachtliche Grußbotschaft den lieben Ostlern in der Stadt empfahl und dem sich B1 womöglich verpflichtet fühlt? Immerhin weist der Programmansager vor jedem Film kurz darauf hin, daß jetzt deutlich gemacht werden, wie das DDR- Fernsehen die MfS-Auslandsspionage dem Zuschauer näherbringen wollte, sprich wie der einst verarscht wurde. Ein bißchen klingt's aber auch wie „irgendwas müssen wir ja sagen, sonst rufen wieder die Meckerköppe an“.
Wie vor vier Jahren, als der Sender Freies Berlin die Errungenschaft des sozialistischen Agentenfilms das erste Mal ausgestrahlt hatte. Die Quote stimmte damals, vor allem im Ostteil, aber von den Ex-Frontstädtern hagelte es Proteste. Dafür war man im November 1989 nicht zum Sektspendieren für die Ossis auf die Straße gegangen, daß fünf Jahre später im eigenen TV die Stasi-Kundschafter plötzlich als die Guten daherkamen und die ausspionierten BRD-Militärs als die Bösen. Je länger die Serie anno 94/95 lief, desto länger wurden die Voraberläuterungen über die verbrecherische Hinterlist der MfS-Agenten.
Die Quoten heute sind so gut wie damals, und doch ist alles anders. Kein Zuschauer regt sich mehr auf über die „Geschichtsklitterei“. Sind etwa Ost und West in Berlin kein Thema mehr, wo doch nun bald die Regierung kommt, oder soll man einfach dem SFB- Pressemenschen glauben, daß die Leute „damit“ heute viel gelassener umgehen und „nach Lewinski doch keinen mehr was schocken kann“?
Schon gar nicht ein ehemaliger Stasi-Bond im Dienste seiner Majestät Armeegeneral Mielke. Während der sowieso nichts mehr mitkriegt, könnte sich wenigstens Ex- HVA-Boß Wolf an den Filmchen sein erhitztes Gemüt kühlen. Nicht nur daß er soeben N3 die Ausstrahlung eines Porträts nicht verwehren konnte, erst kürzlich erschien gar ein Buch, in dem seine Westagenten vor allem als Wirtschaftskriminelle enttarnt wurden, die weniger für den Frieden als für die maroden VEBs kundschafteten. Nicht so natürlich im „Unsichtbaren Visier“. Fans Bondschen Filmthrills dürften das weniger eng sehen. Die hat's vermutlich eher gerührt, nicht geschüttelt. Gunnar Leue
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen