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Archiv-Artikel

berlin buch boom Selbstreferenz und Selbstauflösung: Jo Fabian hat sein erstes Buch geschrieben

Es ist, wie es ist

Es fängt mit einer Widmung an: Auf schwarzem Grund steht weiß „Widmung“. Die nächste Seite ist schwarz, die übernächste bringt das „Nachwort“. Hier lesen wir den Satz: „Irgendwann also haben wir diese blödsinnige Position des ICHs aufgegeben und haben seitdem einige bemerkenswerte Beobachtungen gemacht.“ Am Ende des ersten Buches des Berliner Choreografen Jo Fabian steht das „Vorwort“. Dazwischen spielen die Seitenzahlen verrückt: links wird anders gezählt als auf der rechten Seite. Auf geschwärzten Blättern stehen Knobelsprüche – „Sie verstehen mich besser, wenn sie mich nicht gleich verstehen“, oder: „Goethe ist tot!“. Weiße Figuren geistern über die Schwarzflächen, die an die Rumpelwichte aus „Ronja Räubertochter“ erinnern.

Den Rest füllt Kurzprosa, die oft von Schmecht und Aule berichtet, wie sie sich ein Bett kaufen, einen Anruf bekommen oder Whisky trinken. Nicht selten sind die Miniaturen in der Wir-Form gehalten. Es bleibt offen, wer „Wir“ eigentlich ist: Die „bemerkenswerten Beobachtungen“ wollen Einfallstore für die Phantasie sein. Sie geben sich viel Mühe, einer postmodernen Poetik zu gehorchen, wonach der Sinn nicht vordiktiert wird, sondern vom Leser konstruiert werden soll. Entsprechend kann man das Buch von vorn oder hinten oder nur häppchenweise lesen. Es ist alles möglich, weil nichts zwingend ist. Spannend allerdings auch nicht.

„Die Idioten. das buch“ ist eine Prosasammlung, die nie über sich hinausweist und immer nur sich selbst meint. Selbstreferenz in veredelter Form: „Es ist, wie es ist, das ist die Wirklichkeit.“ Darin versteckt sich ein abgewandeltes Zitat von Hans Henny Jahnn. Bei dem großen Romancier und Dramatiker hatte es noch geheißen: „Es ist wie es ist, und es ist schrecklich.“ Bei Fabian wird Wirklichkeit (lediglich) konstatiert; Anlass zur Kritik ist sie nicht mehr. Im Zeitalter allgemeiner Desorientierung bleibt, so der suggestive Faden, nur die Wahl zwischen Kunstentzug oder Ästhetizismus.

Dass Jo Fabian sich für Letzteres entscheidet, verwundert nicht. Der Band versteht sich als zweiter Teil eines Gesamtprojektes, das mit „Die Idioten. das stück“ im Februar eröffnet wurde. Inzwischen ist „Die Idioten. das runde buch im internet“ dazugekommen. Immer übt sich der 1960 geborene Theatermann in wohlfeiler und gut vermarkteter Kunstkunst. Und wie bei der Idioten-Inszenierung weiß man auch diesmal nicht, von wo aus Fabian seine Buch- und Theaterwelten eigentlich schafft. Die Texte sind – nach Aufgabe „dieser blödsinnigen Position des ICHs“ – von einer seltsamen Ortlosigkeit befallen. Es ist, als ob sie von außerhalb der Welt kämen. Aber Welt, was ist das schon? „Eine Trommel, du musst nur draufhauen“, schreibt Fabian. Verstehen muss man das nicht. Schließlich sind „Geschichten, die man versteht, nur schlecht erzählt.“

DIRK PILZ

Jo Fabian: Die Idioten. das buch. DEPARTMENT Theater GmbH, Berlin 2002, 200 S., 24,50 €