piwik no script img

Archiv-Artikel

benno-ohnesorg-platz Enteignet die Deutsche Oper!

An Benno Ohnesorg erinnert in Berlin das Bronzerelief „Der Tod des Demonstranten“ von Alfred Hrdlicka am U-Bahn-Ausgang zur Deutschen Oper, Bismarckstraße 35. Das ist viel und trotzdem viel zu wenig für ein Gedenken an Benno Ohnesorg. Bedeutete doch die Erschießung des Studenten am 2. Juni 1967 nicht nur den Tod eines jungen Menschen, sondern gilt bis dato als Zeichen für den Protestbeginn einer ganzen Generation gegen die verkrusteten Strukturen der autoritären Nachkriegsära. Das wiegt gegenüber den Interessen der Deutschen Oper Berlin, dem legendären Intendanten Götz Friedrich den Platz zu widmen, einfach mehr.

KOMMENTAR VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Deutsche Oper und ihre Intendantin Harms täten gut daran, sich daran zu erinnern, was damals um ihr Haus herum los war, und sie sollten Mitverantwortung zeigen. Während der Auseinandersetzung vor dem Opernhaus zwischen der Berliner Polizei und Demonstranten gegen das tyrannische Regime in Persien, fiel nicht irgendwo ein Schuss, und eine außerparlamentarische Opposition setzte sich in Bewegung. Der Polizeibeamte Kurras erschoss genau vor dem Gebäude den jungen Studenten Ohnesorg. Zugleich war die Oper damals selbst Teil jener verkrusteten Adenauer-Zeit, die sich Fragen nach der NS-Zeit mit bleiernem Schweigen verbat – und sich per brutalen Schlagstockeinsatz ihren damaligen Schah-Opernabend mit Mozarts „Zauberflöte“ schützen ließ.

Jetzt auf der Grundstücksfrage oder auf der Namensgebung für Götz Friedrich zu beharren, wäre ein schwerer Fehler. Es bedeutete, dass sich die Oper dem demokratischen Konsens im Bezirk, an Benno Ohnesorg auf einem öffentlichen Straßenschild zu erinnern, zu widersetzen gedenkt. Dagegen hilft nur Enteignung.

Es bedeutete darüber hinaus, dass die Oper Ohnesorg – dessen Bild vom Sterben die halbe Welt kennt –, den Demonstranten und dem epochalen Ereignis, das gegen staatliche Autorität und Unterdrückung aufbegehrte, die geschichtliche Verortung zu verweigern droht. Das erinnert fatal an Zeiten vor 1967.