beiseite : Literaturfestival in Berlin
Das Größte
Es ist mal wieder eine zweischneidige Sache mit diesem dritten Berliner Literaturfestival, das morgen beginnt und dann elf Tage dauert. Man freut sich, denn es kommen tolle AutorInnen aus der ganzen Welt: etwa Raymond Federmann, Bora Cosic, Lars Gustafsson, Ioanna Karystiani, Tatjana Tolstaja oder Hanif Kureshi. Selbst der scheue Jonathan Franzen hat sich bewegen lassen, in Berlin aus seinem frühen und jetzt auf Deutsch erscheinenden Roman „Die 27ste Stadt“ zu lesen.
Andererseits dürfte es kein Problem sein, angesichts der Größe des Festivals sich erst in die Literaturen der Welt voll reinzustürzen, dann zu verirren und schließlich abzuwenden. Das Ganze erinnert leider ein wenig an den längst begraben geglaubten hauptstädtischen Gigantismus, an groß, größer, Berlin. Es hat was von „Alles reinwerfe“ nach Dragoslav-Stepanovic-Art, da nützen selbst die vielfältigen Raumaufteilungen nichts, Sparten wie „Kaleidoskop“, „Literaturen der Welt“, der Länderschwerpunkt Griechenland, die Reihe mit Ovid, Ferdinand Pessoa oder Sigmund Freud: „Erinnerung, sprich“. Ja, und in der Sparte „Specials“ (!) kommen auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof auch „die großen Geister Berlins zu Wort“. Den ganz großen Überbau bemüht dann im Programmheft Festivalleiter Ulrich Schreiber: die Vielfalt der Sprache und die authentische, menschliche Erfahrungen vermittelnde Literatur versus die Globalisierung und die universale Vorherrschaft medialer Bilder! Ehrenvoll, gut gemeint, literaturreligiös. Die jungen Lateinamerikaner aber, oder der Südkoreaner Lee Hochol, die wären in einem kleineren Rahmen besser aufgehoben. Aus Litauen übrigens, dem Schwerpunktland der letztjährigen Buchmesse, ist niemand vertreten.
FRANCIS BERGMANN