■ beiseite: Vom fröhlichen Inselreich in alle Welt
Monatelang haben sich die Kinder aus Berlin und Brandenburg auf ihre „Happy Island World Tour“ vorbereitet. Heute fliegen sie nach Zagreb, um sich dort mit Kindern aus Bosnien und Kroatien zu ihrer Rockzirkus-Tournee zusammenzuschließen. Dort haben sie am Sonntag ihren ersten Auftritt, später geht's weiter nach München, Genf und Brüssel, ursprünglich wollten sie dann sogar nach New York weiterfliegen. Bevor die Kinder ihre frohe Botschaft („Ihr seid nicht vergessen“, „Alle Kinder der Welt gehören zusammen“ etc.) allerdings in die weite Welt hinaustragen können, mußten sie ganz in der Nähe noch eine üble Erfahrung machen.
In Joachimsthal, nur anderthalb Auto-Stunden von Berlin entfernt, sollte die Voraufführung der Kinder-Friedens-Tournee stattfinden. Sie fand auch statt, aber etwa 40 kurzgeschorene Jugendliche beschimpften die Kinder-Künstler- Gruppe, zu der auch türkische und farbige Kinder gehören, lauthals mit Parolen wie: „Asylanten raus!“ oder „Die Zecken kommen!“. Nach der Vorstellung wurde den Kindern der Rückweg in den Kleinbus versperrt, und als sie sich doch hineingerettet hatten, versuchten die kurzhaarigen Schwachköpfe, die Scheiben zu zertrümmern und den Bus umzustürzen. Die Polizei, die mittlerweile gerufen werden konnte, ermöglichte dem Bus dann wenigstens die Rückfahrt nach Berlin.
Das „fröhliche Inselreich Deutschland“, wie es zumindest aus dem Blickwinkel bosnischer und kroatischer Bevölkerung wirken muß, hatte übrigens dem Projekt den Namen gegeben. So ist die deutsche Gruppe auch vor allem für den Programmteil verantwortlich, der die Lebensfreude und heitere Schwerelosigkeit auf die Bühne bringen soll. Es tritt eine Kinderband auf, die (im bunten Kostüm) melodisch-fröhliche Tanzmusik mit E-Gitarre, Bass und Schlagzeug aufführt, eine Breakdance- Gruppe und Artistiknummern mit Jongleuren, Akrobaten und Zauberkünstlern. In Zagreb werden ein Zirkus aus Split und eine Theatergruppe aus Kroatien dazukommen.
Initiiert hat das ganze Projekt die Kreuzberger Musikalische Aktion, die schon im vorigen Jahr eine Kinder-Friedens-Tournee organisiert hatte. Das war von der Öffentlichkeit noch ziemlich unbemerkt geblieben. Wolfhard Schulze, der Leiter, meint auch, im letzten Jahr sei das für alle Beteiligten so anstrengend gewesen, daß er die Aktion eigentlich gar nicht wiederholen wollte. Vor allem aus Bosnien seien aber so viele Stimmen gekommen, die sich eine Neuauflage der Kinder-Tournee wünschten, daß man es „einfach machen mußte“.
Inzwischen ist der Kinderprotest so renommiert geworden, daß gar Jacques Delors die Schirmherrschaft übernommen hat und Klaus Kinkel persönlich alles Gute wünscht. In Genf werden die Kinder eine Resolution an die UN- Kommission übergeben und in Brüssel die gleiche Erklärung an die EU-Flüchtlingskommission. Doch konkrete politische Forderungen vorzubringen ist „Happy Island“ erstmal gar nicht so wichtig. Die Veranstaltung soll vor allem ein Zeichen setzen. Finanziell unterstützt wird die Tournee übrigens von der Organisation „Children for a better world“, der Schülerinitiative „Schüler helfen leben“ und dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband.Volker Weidermann
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