beim promi-friseur : Warum ich wohl bald einen berühmten Kollegen treffe
Letztens beim Friseur: ein kleiner Laden in Kreuzberg am Rand zu Neukölln. Schick, aber nicht zu szenig, nicht billig, aber auch nicht zu teuer. Weil meine angestammte Friseurin nicht da war, schnitt mir eine sehr, sehr kleine junge Frau die Haare. Sie begann die Unterhaltung mit der Frage, was ich beruflich so mache. Als sie hörte, dass ich bei der tageszeitung arbeite, trillerte sie fröhlich: Mein Haar sei heute schon der zweite Journalistenschopf, den sie stutze! Vor mir war nämlich „der Martin“ da. Der arbeite auch bei der Tageszeitung und habe außerdem sogar schon ein Buch geschrieben.
Ich war neugierig. Martin? Kenne ich gar nicht? Oder meinte sie den jungen Kollegen, der im vergangenen Sommer einige Monate zur Vertretung in unserer Redaktion war? Etwas längeres Haar, leicht wellig? Das kam hin. Dunkelblond, Ende zwanzig? Nein, sagte die Friseurin: Der Martin sei schon etwas älter und seine Haare bereits ein bisschen angegraut: „So wie deine ungefähr. Aber du hast viel mehr Volumen.“
So weit, so gut – ich kam nicht drauf, wer gemeint sein könnte. Aber sie könne mir ja, meinte die Friseurin, auch noch mal erzählen, was sie ihm erzählt habe: Sie sei nämlich Aramäerin. Und die Aramäer – eine christliche Minderheit aus dem Südosten der Türkei – machten am Sonntag eine Demo, weil gegen ihr Kloster in der Türkei ein Prozess geführt werde. Der Martin habe ihr zwar schon versichert, dies bei der Zeitung zu erzählen, aber es schade ja nichts, wenn sie mir auch noch Bescheid sage. Das Thema sei ihr nämlich wichtig.
Ich war jetzt noch neugieriger: Minderheiten unter Druck sind schließlich mein Spezialgebiet! Welcher Martin von der taz mischte sich da ein? Während ich an der Kasse Ort und Zeit der Demo notierte, forschte sie in ihrem Terminbuch nach dem vollen Namen des geheimnisvollen grau gelockten Kunden: „Hier steht’s: Martin Stein? Nein: Martenstein! So heißt er!“
Wow! Ich war beeindruckt: Harald Martenstein! Martenstein und ich haben denselben Friseur! Er, einer der berühmtesten Schreiber der Stadt! Aber ich habe mehr Volumen!
„Wie viel Trinkgeld hat er gegeben?“, fragte ich meine aramäische Friseurin. Wie viel, muss in diesem Text natürlich ein Geheimnis bleiben. Von mir hat sie aber genauso viel bekommen. Meine Kolleginnen meinten hinterher allerdings, ich hätte mehr geben müssen. Sie meinten, dass wenigstens einmal gelten soll: Wer besser zahlt, ist besser.
So weit war ich noch nicht. Ich hätt’s auch übertrieben gefunden. Mir fiel nur ein: Die taz ist nicht der Tagesspiegel. Auf die Demo – sie startet am Sonntagmittag am Lustgarten – werde ich gehen. Mal sehen, ob der Mann tatsächlich da ist, der mich unversehens zur Kundin einer Promi-Friseurin macht.
ALKE WIERTH