beantragt: Die Kindergrundsicherung aus einer Hand? Ja, unbedingt, bitte!
Nur noch eine Stelle sollen Eltern nach dem Willen der Grünen in Zukunft aufsuchen müssen, wenn sie zu wenig Geld zur Verfügung haben, um ihre Kinder ohne staatliche Hilfe gut durchzubringen. Also so, dass sie nicht einfach überleben, sondern ihre Fähigkeiten entfalten können. Als gering verdienende Alleinerziehende gehöre ich zu dieser Gruppe und kann daher besser als der das Vorhaben ablehnende Bundesfinanzminister beurteilen, ob es sinnvoll ist, eine neue Behördenstruktur für die von der Ampel beschlossene Kindergrundsicherung aufzubauen.
Ich bin der deutschen Sprache mächtig, halte mich für durchschnittlich intelligent – und verzweifle dennoch regelmäßig an Antragsformularen, Zuständigkeiten und Bearbeitungszeiten. Beginnen wir mit meiner Lieblingsleistung, dem Kinderzuschlag. Ich weiß nicht mehr, wer mir von diesem erzählt hat. Eine Behörde kann es nicht gewesen sein, denn mit diesen hatte ich höchstens E-Mail-Kontakt („Bitte sehen Sie von weiteren Nachfragen ab.“). Sehr wahrscheinlich hat mir die Person das gesagt, was ich Menschen rate, die neu im Eltern-Business sind: „Tu dir das nicht an.“ Denn für den Kinderzuschlag verdient man schnell zu viel oder zu wenig, es ist ein schmaler Korridor, der dank Corona etwas weiter geworden ist. Ich habe ihn mal bekommen und dann wieder nicht, einmal verdiente ich sieben Euro zu viel. Für den Antrag müssen alle sechs bis zwölf Monate bis zu elf Seiten ausgefüllt werden, dafür erhielt ich – wenn überhaupt – im Schnitt etwa 30 Euro im Monat.
Beim Wohngeld hingegen ist der Kosten-Nutzen-Aufwand sehr viel besser. Auch hier ein mehrseitiger Antrag und mehrere Nachforderungen nach noch mehr Nachweisen per Brief, aber am Ende immerhin 300 Euro Wohngeld. Sowohl der Kinderzuschlag als auch das Wohngeld berechtigen dazu, Leistungen aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket zu beantragen. Wer das verstanden hat, kann sich über rund 200 Euro im Jahr für Schulbedarf freuen, auch die Kosten für das Mittagessen in Schule und Kindergarten, für Nachhilfe, Klassenfahrten und Ausflüge werden vom Staat übernommen sowie die für Monatskarten für den ÖPNV – und 15 Euro im Monat für sportliche oder kulturelle Aktivitäten.
Der Haken: Ich habe acht Monate auf den positiven Bescheid der Wohngeldstelle gewartet, erst damit konnte ich die Bildungs- und Teilhabeleistungen beim Sozialamt beantragen, nach weiteren zwei Monaten war dessen positiver Bescheid da. Wer sich nicht von unfreundlichen und/oder überarbeiteten Schulsekretärinnen unterkriegen lässt und viel Zeit zum Telefonieren und Mailschreiben hat, hat eine Chance, die vorgestreckten Kosten für Mittagessen und Klassenfahrten rückwirkend erstattet zu bekommen.
Dem Sozialamt zu erklären, warum ich nach fast einem Jahr gern noch etwas Geld für Sportverein und Musiklehrer hätte, war mir am Ende zu aufwendig. Vielleicht in diesem Jahr.Anna Läufer
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