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Archiv-Artikel

ausgehen und rumstehen Mach meinen Fuchs nicht an

In Barcelona kippte ich eine Stunde lang mit der Schulter gegen die Wand. Kompromisslos neben dem Rhythmus. Das war in einer Disko, in der ich jederzeit den Weg zu den Toilettenräumen wiederfinden würde, aber den zum Dancefloor? Fehlanzeige. Völlig ungerührt von meinem Gekippel schwallte ich den Gastgeber Sebastian, dessen Berliner Firma hier ihren Auslandseinstand feierte, zu, in Stakkato-Tempo, aber unverständlich. Schwamm drüber. Am nächsten Morgen wachte ich dann preußisch rechtzeitig in meinem Hotelzimmer auf – und hatte einen Silberfuchskragen um den Hals. Eine Trophäe, klar, rechtmäßig bei mir gelandet.

Damit die eigentliche Besitzerin nicht den Pfad ihres Fuchses verliert, stelle ich regelmäßig Bilder von mir selbst mit silbrigem Bart und silbrigem Fuchs auf meine Community-Webseiten, Ilikemystyle (ilikemystyle.net/users/view/PhatDennis) und Facebook (www.facebook.com/profile.php?id=620017265).

Man steht ja eh unter Vollbeobachtung in diesen Zeiten. Dann will ich wenigstens die Hoheit über meine Repräsentation behalten. Also trage ich den Fuchs zu allen Gelegenheiten, die was hermachen, und lasse mich da fotografieren.

Natürlich auch beim Plattenauflegen mit Sebastian im „Picknick“, der Berliner Disko für spinnenbeinige Kids mit Skandinavien-Faible und für Ältere, die sich eher die Arschhaare als die Nasenhaare schneiden. Ich spielte gerade einen Track von der Asian Dub Foundation oder von Muslimgauze. Irgendwas mit radikalen Parolen und unversöhnlichem Ethnoelektro. Mit eher tänzerisch als kämpferisch gereckter Faust wischte ich mein Kinn kurz durch das Fell des Fuchskragens und dachte an die mongolischen Reiterkrieger in ihrer Uneinschüchterbarkeit und ihren Fellmützen. Mann und Tier – das schaukelt sich gegenseitig hoch und höher. Das ging mir das letzte Mal so bei der Darkroom-Fantasy-Schlachteplatte „400“ mit seiner sexy Moral „Bis der letzte Mann sein Blut über seine Latex-Hotpants vergießt“. Und damals hatte ich den Fuchs noch nicht.

Ich bin also am innerlichen Recken und Recken, da funkelt mich von halb unten der Traum eines jeden Gastdozenten mit Haarausfall an, eine energische Erstsemesterstudentin mit letzten Babyspeckausläufern und diesem Ernst im Blick, der von zu viel lesen und zu wenig erleben herrührt. Rührend. Ich fand sie sehr niedlich mit der schwarzen Kunststoffbrille vorne auf der Nase und dem schiefen Pony. Aber das war vielleicht auch eine Altherren-Beobachtung, ich schämte mich sofort ein bisschen. Jetzt würde es kommen, wie es seit Jahrzehnten kommt: „Hey DJ, play my song!“

Aber nein, mit solch schlicht hedonistischen Anrufungen ist es in unseren Öko-Erweckungs-Zeiten vorbei. Stattdessen stemmte sie ihre Fäuste mit den rosig runden Knöcheln in die Hüften: „He, Mann, als DJ haben Sie Verantwortung. Da können Sie doch keinen Pelz tragen.“ – „Was? Ich bin mit dem Fahrrad gekommen, ich bin nicht schuld, wenn den Eisbären ihr Territorium wegschmilzt. Und diesen Silberfuchs habe ich eigenhändig im fairen Zweikampf erlegt. Soll ich dir meine Narbe unterm Brustkorb zeigen?“ – „Pelzträger sind Sadisten.“ – „Und du bist das Opfer einer hochgekochten Medienkampagne. Noch vor zwei Jahren wäre dir mein Fell scheißegal gewesen, und du hättest nur gegen meine Nike-Sneaker gewettert. Im Naomi-Klein-Gehorsam. Jetzt ignorierst du die Sneaker völlig.“ – „Scheiße handeln und dann noch die Klappe aufreißen. Sie haben so eine schäbige Haltung, Mann.“

Wenn man mich fragt, wer die richtige Haltung hat, zitiere ich Cathy Boom vom Magazin Style 100: „Wenn die Kreuzberger Tierschützer mir den Pelz mit Farbe bewerfen, weiß ich, dass die Welt noch in Ordnung ist. Alles klar – solange sie kein Orange nehmen.“ Doch die Erstsemester-Studentin fragte mich nicht, ach, ihr moralisch überlegenes Glühen, sexy bis in die abgekauten Fingernägel. „Du schwingst dich hier zur säkularisierten Gotteskriegerin auf?“ – „Sie sind doch schon völlig verrottet vor lauter Nichtsglauben.“

Es hatte so viel versprechend begonnen. Jetzt kippte die Situation schon rapide ins Säuerliche. Schade, eigentlich. Immerhin habe ich das seidige Fell meines Fuchses zum Trösten. Und sie hat nur ihre einsame Entrüstung, arme fehlgeleitete Jugend. Stand ihr aber sehr gut, die Entrüstung. Eigentlich besser als dir der Fuchs, flüsterte mir Sebastian boshaft zu. Aber das war vielleicht nur seine Rache für Barcelona. JAN JOSWIG