piwik no script img

Archiv-Artikel

auf dach-suche Endstation Murks

M. baut bei Bremen. Das schmucke Eigenheim ist bereits in greifbare Nähe gerückt. Doch der Schlaf des Häuslebauers gebiert gar gewaltige Ungeheuer. Hohl stöhnt es im Hinterkopf: Welches Unterdach ist das Beste? Lieber auf rustikale Hartfaserplatten setzen oder die doppelt so teuren DWD-Platten ordern? Ratlos wälzt sich M. hin und her. Kein hilfreiches Orakel weit und breit. Soll er seine Bekannten mit Fragen löchern, stundenlang am Telefon, mit heißlaufender Ohrmuschel? Die haben noch nicht mal einen Schimmer, dass es sich bei DWD-Platten um Produkte aus heimischen Nadelhölzern und geringen Anteilen Laubholz handelt, die nach DIN 58763 hergestellt werden! Wie sollten sie erst Vor-und Nachteile abwägen können?

Einfach im Baumarkt beraten lassen ist auch nicht drin. Die wollen ja möglichst viel verdienen und würden sicher in höchsten Tönen von „formaldehydfreien PUR-Harzen“ und „hoher Festigkeit“ schwärmen. Außerdem sollen die ja heimlich Holz aus illegal abgeholzten sibirischen Wäldern verticken – kam zumindest im Fernsehen. Öffentlich-rechtlich sogar. Der „Dach-Atlas“ von Eberhard Schunck wiederum ist zu teuer: 30 Euro soll der Schmöker kosten. Und in der Bibliothek ist die Hausbedeckungs-Bibel wieder mal ausgeliehen. War ja klar.

Also ab ins Internet. Dort tummeln sich schließlich ausgewiesene Experten wie der Dach-Verband „Ziegeldach e.V.“ – unschlagbar in der Differenzierung zwischen „Biber-Kronendeckung“ und „Biber-Spließdeckung“, gewieft in der Erklärung von „Reformziegeln“, aber wenig kenntnisreich, was die quälende Unterdachproblematik angeht. Schon erwägt M., auf die Schaumfolie Delta-Maxx – eine diffusionsfreie, hochreißfeste Unterspann- und Schalungsbahn – auszuweichen, da führt ihn ein glücklicher Doppelklick direkt ins Paradies des fortgeschrittenen Heimwerkertums: „bau.de“. Hier werden sie geholfen. Postwendend ergeht im Forum die Antwort: DWD-Platten seien nur sinnvoll, wenn eine einblasbare Wärmedämmung, etwa aus Zellulosefaserflocken, in Betracht komme. Aha. Und empfindlich seien die Dinger auch noch: „Ein falscher Tritt (vor allem bei Nässe) und die brechen an der Stoßstelle auseinander. Nebenbei: Die Delta-Maxx saugt Wasser wie ein Schwamm.“

Am Ende ist die Verwirrung komplett. Ein Trost nur bleibt M., dem wackeren Eigenheimanwärter. Sollte er einen dekorativen Dachschaden erleiden, kann er den immer noch bei „Dachmurks.de“ anbieten, wo Probleme mit bituminösen Dachsperren, Silikonimplantaten und undichten Bodenluken in feschen Bilderserien verewigt werden. Christoph Kutzer