auf augenhöhe: RICHARD ROTHER über Traveller-Schecks
CHECK THE CHEQUES
Wer auf die Straße geht, soll einkaufen können. Immer und überall. Das ist hip. Und die Hauptstadt will ganz besonders hip sein – weil das Geld bringt. Shopping-Weekends, sondergenehmigte Öffnungszeiten bei Springbrunnen- oder Tierparkfesten - all das soll Touristen von ganz weit her anlocken. Was aber, wenn die Berliner selber ganz weit weg wollen? Zum Shoppen in Übersee etwa. Kommen sie in der dienstleistungsmetropolitanen Rund-um-die-Uhr-City an die nötige Währung? Wann immer sie wollen?
Zugegeben, ich stelle mir die Frage nicht wirklich, während ich durch Friedrichshain schlendere. Da das Geld nicht auf der Straße liegt, wie diverse Hundehaufen eindrucksvoll beweisen, gehe ich zur Post, um mir ein paar Traveller-Schecks zu besorgen. Die Filiale ist dicht. „Schon seit zwei Jahren“, sagt eine Oma und zeigt mir den Weg über den Mittelstreifen – zur neuen Post.
20 Minuten später komme ich an der Frankfurter-Allee-Plaza an, einem überdimensionierten Einkaufscenter. Hinter der Plaza, von der man den Himmel durchs Glas sehen kann, ist die neue Post. Und weil sie so neu ist, müssen die Angestellten hinter dem Schalter stehen – das wirkt dynamisch. Außerdem müssen sie immer sehr freundlich sein. „Zwee Schalta für den janzen Kiez, hier jeht ja voll die Post ab, eh!“, meckert ein glatzköpfiger Typ vor mir in der Schlange.
„Travellers hamwa nich, die jibs nur noch beim Postgiro-Amt“, lächelt die Frau hinterm Tresen. „Wie?“, frage ich unschlüssig. „Sie sind doch die Post hier und die Postbank auch, wieso ...?“ „Sonst noch wat?“
Eine Stunde später: Die Postbank-Zentrale in Kreuzberg ist ein Furcht einflößendes Hochhaus aus Zeiten, in der das Abstempeln von Briefen noch Staatsdienerei war. Auch drinnen kann es einem mulmig werden. Der Raum ist abgedunkelt. Wie aus dem Nichts treffen mich die Worte: „Wo möchten Sie denn hin?“
Die Stimme gehört zu der Dame hinter dem Info-Counter. „Ich hätte gern Traveller-Schecks.“ „Da müssen sie die Service-Hotline der Postbank anrufen. Wir schicken sie Ihnen dann innerhalb von 24 Stunden bequem per Boten nach Hause.“ Ich sage, dass ich die Schecks gar nicht bequem nach Hause kriegen wolle, weil ich ohnehin kaum da sei, sondern lieber gleich mitnehmen würde. „Der Flieger wartet nicht auf die Schecks!“ Die Frau vom Info-Stand wiederholt ihrenSpruch und drückt mir einen Flyer in die Hand. „Da steht alles drin.“
In der Telefonzelle riecht es nach Urin, aber die Frau in dem Call-Center ist sehr nett. Sie will nur Kontonummer, Währung, Menge und Stückelung wissen und ob ich übermorgen zu Hause sein werde. „Nein“, sage ich. „Wir können Ihnen die Schecks auch auf Arbeit bringen.“ Ich wisse noch nicht, ob ich da sein werde, möglicherweise hätte ich einen Außentermin, werfe ich leicht gereizt ein.
Die Call-Center-Frau macht ihren Job gut, sie bleibt ruhig. „Unser Bote kommt drei Mal, um Sie anzutreffen.“ Hastig nenne ich die Büro-Adresse, weil die Telefonkarte ihrem Ende entgegengeht. Die Frau bietet mir an zurückzurufen. Ich gebe noch die Nummer der Zelle durch, dann ist die Leitung tot.
In der Zelle wird es kalt. Für die Postbank, grübele ich, ist es billiger, Kuriere zu schicken, als Devisenbestände in jeder Filiale zu verwalten. Aber bequem – das ist die Telefonzelle nicht! „Scheiß Kommunikationsterror!“, bricht brabbelnd der Traditionalist in mir durch, während ich auf den Rückruf warte. Schließlich muss die Geldübergabe noch einmal genau geklärt werden. Da darf nichts schief gehen, weil ich sonst ohne Schecks losmuss. Sie ruft nicht an.
Am nächsten Tag frage ich bei der Hotline nach, ob alles klar geht. Na klar, sagt der Call-Center-Mann. „Unser Bote wird Ihnen die Schecks heute noch persönlich überreichen.“ Er kommt nicht, und ich verbringe eine unruhige Nacht. EinenTag später wirft mir eine Kollegin ein American-Express-Kuvert auf den Tisch. „Lag im Briefkasten, scheint was für dich zu sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen