auf augenhöhe: ULI HANNEMANN begegnet George Busch in der Hasenheide
Nur auf Prollspotting steht keine Todesstrafe
Erst raschelte es im Gebüsch, dann knackte es und auf halber Höhe tauchte der Kopf eines Mannes aus dem Strauchwerk. Sein Gesicht kam mir merkwürdig bekannt vor. „Hello“, sagte das Gesicht zaghaft – aber nicht das übliche „Hello, my friend“, oder „kss kss, Alter, willst du Gras …?“, wie es hier sonst immer aus den Büschen schallt.
Plötzlich fiel es mir ein: „Mister Busch“, rief ich überrascht, „wot mäik ju in se Hasenheide?“ Langsam und ängstlich kam er hervor: „Hello, my friend“, sagte er jetzt auch, aber ich wusste ja, dass er nicht mit Haschisch dealte, sondern mit dem Tod. Er machte einen sehr verwirrten Eindruck. Er trug ein Clownshütchen auf dem gefärbten Haar und seine schmutzstarrende Hose stand offen. Buschs Stirn zierte eine dicke Beule und in seinen Augen glänzte der Irrsinn. Blitzschnell schloss ich, dass er offensichtlich ein paar seiner Gegner in die Hände gefallen sein musste, die die ganze Nacht LSD-Experimente mit ihm durchgeführt und ihn anschließend achtlos in den Park geworfen hatten.
Die Bundesrepublik hatte ihn bei seinem Staatsbesuch nicht zu schützen vermocht. Das würde Ärger geben! Köpfe würden rollen! Wenn sie ihn überhaupt wieder fänden … „Death penalty“, jammerte der Präsident. „Ei schou ju wot“, sagte ich und nahm ihn kurzerhand mit zur Hasenschänke, dieser Mischung aus Kiosk und Biergarten: „Splendid Pläiss for Prollspotting – sis is rieli Berlin“, zeigte ich auf die Tische mit den mazedonischen Männern, die, vom Kugelspielen ermattet, zum Kartenspielen übergegangen waren. „It’s beautiful“, schwärmte mein Gast.
Ich holte uns ein paar Einbecker Urbock und bröselte dazu ein wenig Hasch in die Purpfeife: „Se Achse of se Bösen“, nannte ich die Kombi so scherzhaft wie zutreffend. „Death penalty, death penalty“, jubelte der Staatschef verzückt und nahm einen kräftigen Zug. „Kärfull“, warnte ich, „sis Peip is not e Ssigar and ju ahr not a Praktikantin!“ Er lachte: „That was Mister Clinton – I’m Mister Busch!“ „Oh, Ssorri. Das mi leid!“ „Doesn’t matter, my friend …“ – „… Uli …“ – „… my friend … Juli …“ – „Uli.“ – „Jully …“ – „Uli!“ – „Julle …“ – „Uli!!“ – „Youli …“ „Ah, forget it“, seufzte ich. „Death penalty“, kicherte er, „death penalty!“
Ich nutzte die Gelegenheit und fragte ihn, warum er denn bloß so geil auf die Todesstrafe sei, eigentlich sei er doch, von nahem besehen, ein durchaus umgänglicher Typ. Er schwieg. Tränen stiegen ihm in die Augen – ich schien einen wunden Punkt erwischt zu haben. Als er endlich wieder zu sprechen begann, zitterte ihm die Stimme. Er erzählte von seiner Kindheit in den Bergen von Pokahontas. Ein karges Leben in atemberaubender Natur. Manchmal war es dort am Abend so spät geworden, dass es dunkelte. Pferde wieherten im Mondschein. Dann der Tod des geliebten Ponys durch einen Klapperschlangenbiss, der Abschied vom Elternhaus mit dem dominanten Vater und häufiges Sodbrennen. „Fucking Kyoto-chinks, bastard kraut-cunt Voveright“, knirschte Busch diabolisch mit den Zähnen, „death penalty, death penalty, death penalty!“
Das letzte „death penalty“ kam derart laut, dass sich die Mazedonier neugierig umdrehten. „Pscht“, mahnte ich, „kärfull – seychell not nou!“ Auch zwei Araber, die eben noch geschlafen hatten, waren hellhörig geworden und musterten ihn argwöhnisch. Doch sie kannten seine Statur wohl ebenfalls nur aus dem Fernsehen, wo die anderen Politiker neben ihm immer knien mussten, und wandten sich wieder ab, als sie bemerkten, dass der Schreihals nur einen Meter zwanzig maß. Das war gerade noch mal gut gegangen!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen