arbeitslosigkeit : 70 Prozent sagen alles
Zunächst sehen die Zahlen gar nicht so schlecht aus: Die Arbeitslosigkeit hat im Juli saisonbereinigt nur um 7.000 Menschen zugenommen. Fast könnte man meinen, dass die Jobkrise abflaut – bis man weiterliest im Text der Bundesanstalt für Arbeit. Dann stellt sich heraus, dass seit Jahresbeginn zwar viele Arbeitslose die Statistik verlassen haben, aber leider nicht in Richtung Job.
Kommentarvon ULRIKE HERRMANN
Die meisten Arbeitslosen verschwanden in einem Nichts mit dem Titel „Abgänge in Nichterwerbstätigkeit“. Das sind Ältere über 58 Jahre, die ihre Unterstützungsleistungen weiter beziehen dürfen, obwohl sie keinen Job anstreben. Das sind aber auch alle jene, die durch das neue Konzept „Fordern und Fördern“ so genervt sind, dass sie sich nicht mehr beim Arbeitsamt zurückmelden. Dazu neigen vor allem Erwerbslose, die sowieso keine Leistungen beziehen. Nun verzichten sie eben auch noch auf die „Beratungstätigkeit“ des Arbeitsamtes.
„Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ – dieser Spruch, angeblich von Winston Churchill, scheint sich zu bewahrheiten. Der Satz ist hübsch, aber übertrieben. Statistiken können sehr erhellen. Manchmal gelingt es ihnen sogar, Modetheorien in der Politik mit einer einzigen Zahl ad absurdum zu führen.
Eine solche Zahl hat das Bundesamt für Statistik in dieser Woche veröffentlicht. Sie lautet schlicht: 70 Prozent. 70 Prozent der deutschen Erwerbstätigen arbeiten im Dienstleistungssektor. Diese Quote liegt über dem europäischen Durchschnitt.
Was daran bedeutsam ist? Bisher ging die deutsche Politik davon aus, dass die Bundesrepublik eine einmalige „Dienstleistungswüste“ sei. Man wusste auch, warum: Service sei in Deutschland zu teuer. Also, so die Idee, müsste man doch nur den Niedriglohnsektor verstärken und zum Beispiel Zwei-Euro-Jobs anpeilen. Schon wäre die Arbeitslosigkeit wegorganisiert. Nun aber stellt sich heraus, dass sich die Deutschen durchaus gern bedienen lassen. So schlicht lässt sich die Arbeitslosigkeit nicht erklären. Wieder muss ein Patentrezept in die dicke Akte der „hilflosen Versuche“ geheftet werden.
Das könnte man ja lustig finden, wenn die Folgen nicht so bitter wären: Denn der Niedriglohnsektor, auf bloßen Verdacht geplant, er wird kommen. Von Erwerbslosen wird bestimmt weiter strikt „gefordert“, auch wenn dies nirgendwohin „befördert“ – außer in eine Zone jenseits der Arbeitslosenstatistik.