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Archiv-Artikel

antje vollmer in der taz vor 15 jahren über die altherrenrepublik

Schmallippig hat Helmut Schmidt in alle CDU-Wahlkampfzeitungen ein Geheimnis diktiert: Verlieren werde er, der Lafontaine, und zwar Gottseidank und hochverdient! So sind sie, die triumphierenden Greise. Und so waren sie immer: Gnadenlos, nachtragend, niemals satt zu kriegen.

So falsch, Freundinnen meiner Jugend, lagen wir damals doch nicht mit unserem Teenager-Slogan. Trau keinem über dreißig! Und so daneben lag auch Oskar Lafontaine nicht, als er an Helmut Schmidt die Sekundärtugend „Zwangscharakter“ hinter der Primärtugend „pflichtbewußter Erster Diener seines Staates“ witterte. Die Gerontokratie der Nachkriegs-Dädalusse lastet allmählich wie ein Alp auf dieser Republik.

Woraus speist sich eigentlich diese unglaubliche Energie? Offensichtlich aus dem konzentrierten Willen, ihr Lebenswerk vor dem Zugriff unserer Unverfrorenheit zu bewahren. Sie haben zwar schon alles gewonnen, können aber trotzdem nicht großzügig sein. So nehmen sie immer noch Rache für ’68, für diese mäßige Kränkung, für die wir längst bezahlt haben.

Es reicht, es reicht. Ich finde, wir haben unser Soll an Abstürzen allmählich übererfüllt. Wir haben genug in diesem Generationenkrieg verloren. Es wird Zeit, daß wir uns ein wenig schonen. Ich will keinen der Unseren mehr ihrer Unersättlichkeit überlassen, keinen Lafontaine und auch keinen Gysi.

Right or wrong – my generation! Antje Vollmer, 19. 11. 1990