anti-hartz-demos : Der Protest und die Zahlen
Tausende Berliner werden heute wieder gegen Hartz IV – die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe – auf die Straße gehen. Und zwar nicht in getrennten Demonstrationszügen, sondern in einem gemeinsamen. Viele Teilnehmer lässt das zu Recht aufatmen. Für die meisten waren die Spaltung und der Streit mit einer Sektierergruppe nicht vermittelbar.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Zudem begreifen die Demonstranten die heutigen Proteste als eine Art Aufgalopp für weitere Aktionen im Herbst, vor allem um den 3. Oktober herum. Auch daran zeigt sich: Wut und Protest über die Reform nehmen nicht ab, wie sich deren Protagonisten wünschen. Im Gegenteil: Sie steigen beziehungsweise manifestieren sich auf hohem Niveau. Ein Erfolg der Aktivisten. Jeden Montag zehntausende auf die Straße zu bringen – das haben die Grünen, heute Adressat des Protests, nicht einmal zu ihren besten Anti-AKW-Zeiten geschafft.
An diesem Erfolg der Demonstrationen ändern auch die üblichen Zahlenspielereien nichts. Wenn Politiker oder Journalisten behaupten, eine Demonstration bröckele, nur weil nicht mehr 15.000, sondern „nur“ 12.000 Demonstranten gekommen seien, so ist dies unseriös und interessengeleitet. Nach dem Motto: Was ich nicht mag, rede ich klein.
Auch die Veranstalter von Demonstrationen neigen dazu, Teilnehmerzahlen – ohnehin nur Schätzwerte – nach oben hin zu interpretieren. In diesem Fall haben sie das gar nicht nötig. Ob fünfzehn-, zwanzig- oder fünfundzwanzigtausend Demonstranten: Es sind richtig, richtig viele Menschen, die regelmäßig in Berlin ihren Unmut über die einschneidendste Sozialreform in der Geschichte der Bundesrepublik auf die Straße tragen. Dies zu ignorieren, dazu gehört schon ein gewisse Unverfrorenheit.