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Archiv-Artikel

annan zum irakkrieg Klare Worte zur rechten Zeit

Kofi Annan ist nicht der Alleinherrscher über die Vereinten Nationen, seine Meinung für niemanden bindend. Aber der UN-Generalsekretär ist neben der Vollversammlung und dem Sicherheitsrat eines der offiziellen Organe der Weltorganisation. Und seine Jobbeschreibung beinhaltet das, was die Charta vornehm „good offices“ nennt. Eben einen solchen guten Dienst hat Annan nun nicht nur seiner eigenen Institution, sondern auch dem Rest der Welt geleistet – als er die Invasion des Iraks korrekt als „illegal“ bezeichnete.

KOMMENTAR VON ERIC CHAUVISTRÉ

Wenn jemand die Pflicht zum diplomatischen Auftritt hat, dann der UN-Generalsekretär. Auch Annan hält sich daran. Nie würde er leichtfertig und ohne Not zwei mit Vetoprivileg ausgestattete Mitglieder des UN-Sicherheitsrates düpieren. Tatsächlich hat sich Annan eineinhalb Jahre lang verboten, solch eindeutige Worte zu gebrauchen. Schließlich konnte sich nicht einmal die gegen die Invasion eingestellte deutsche Bundesregierung zu einer so eindeutigen rechtlichen Einschätzung durchringen.

Die Zurückhaltung Kofi Annans war weise. Es galt, die Zusammenarbeit mit den USA nicht unnötig zu erschweren. Schon um der irakischen Bevölkerung besser helfen zu können, war Pragmatismus angesagt. Bisher. Doch Annans sensible Haltung führte bei der US-Regierung leider nicht dazu, ihr arrogantes und alles andere als erfolgreiches Vorgehen im Irak auch nur zu überdenken.

Außer der neuesten Ankündigung, man werde den Irak befrieden, indem man „die Aufständischen von einer Stadt zur nächsten“ verfolge, war auch nach der jüngsten Eskalation nichts Neues aus Washington zu hören. Und selbst Bush-Herausforderer John Kerry fällt nur ein, die Europäer an ihre angebliche Pflicht zu erinnern, sich militärisch an der Fortsetzung der Katastrophe zu beteiligen.

Doch trotz des Desasters im Irak stellt die außenpolitische Elite der USA Präventivschläge kaum noch in Frage. Gleichzeitig reklamiert auch die russische Regierung unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung einen Anspruch auf präventives militärisches Vorgehen.

Und selbst die EU-Staaten machen sich daran, den Begriff Verteidigung immer freizügiger zu interpretieren. Nichts ist gefährlicher als die schleichende Akzeptanz der sich ausbreitenden Präventivdoktrin. Deshalb hat Annan auch jetzt wieder weise gehandelt, als er sein diplomatisches Schweigen brach.

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