piwik no script img

Archiv-Artikel

anklage gegen sarrazin Der Finanzsenator kann gehen

Unabhängig davon, ob an der Anklageerhebung gegen Thilo Sarrazin (SPD) etwas dran ist; unabhängig davon, ob es nach der Anklageerhebung tatsächlich zu einem Verfahren kommt; unabhängig davon, ob ein Verfahren wegen Untreue tatsächlich mit einer Verurteilung endet – unabhängig von all dem ist der Berliner Finanzsenator nicht mehr unabhängig.

KOMMENTAR VON UWE RADA

In Wirklichkeit ist Thilo Sarrazin seit gestern ein Abhängiger – abhängig von der Berliner Justiz. Keine Pressekonferenz wird mehr stattfinden, ohne dass nach neuen Vorwürfen oder nach Erklärungen gefragt wird. Jede Nachricht über neue Ungereimtheiten wird sich in Windeseile verbreiten und neue Nachfragen nach sich ziehen. Der ehemalige Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) weiß, wie sich das anfühlt. Er hat das Handtuch geworfen, noch bevor die Klage gestern auch gegen ihn erhoben wurde.

Auch Thilo Sarrazin wird deshalb nicht mehr zu halten sein. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern nur noch, wann er zurücktritt. Was aber bedeutet das für den rot-roten Senat? Ist die alte Masche, hier der tanzende Wowereit, dort der Thilo fürs Grobe, nun an ihrem Ende?

Die bittere Wahrheit für Sarrazin lautet: Sie war es schon vor der gestrigen Anklageerhebung. Die gröbsten Einschnitte sind getan, Berlin hat seine Hausaufgaben gemacht, nun schauen alle auf Karlsruhe. Vom Verfassungsgericht wird nämlich abhängen, ob Berlin auch vom Bund für seine Bemühungen belohnt wird.

Der Finanzsenator hat also seine Schuldigkeit getan. Umso einfacher wird es für den Regierenden Bürgermeister, ihn in die Wüste zu schicken. Er wäre damit nicht nur ein Problem los, sondern auch den – nach Strieders Rücktritt – unbeliebtesten Senatspolitiker.

Die Devise der Nach-Sarrazin-Ära wird deshalb lauten: Wieder etwas mehr Verständnis zeigen und Punkte sammeln, die schweren Hartz-Zeiten kommen schließlich erst noch. Ein scharfer Hund wie Sarrazin wird deshalb kaum mehr Finanzsenator werden. Eher ein verständnisvoller, das heißt, ein schwacher.