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Archiv-Artikel

american pie Yao Ming öffnet der NBA den chinesischen Markt

Basketball spricht mandarin

Die Basketball-Liga NBA ist zuvorderst ein gut funktionierendes Multimilliarden-Dollar-Geschäft. Und wie bei allen marktorientierten Unternehmen hat der Kunde das Sagen. Wer im All-Star-Game der besten Spieler des Ostens gegen die des Westens am 9. Februar auf dem Platz steht, wird folglich per Umfrage ermittelt, via NBA-Homepage. Seit einiger Zeit kann man diese Homepage auch in Chinesisch aufrufen. 280 Millionen Haushalte empfangen in China die NBA, und wer einen Fernseher hat, hat dort meist auch Internetanschluss. So ist es nicht verwunderlich, dass Yao Ming, der chinesische Center der Houston Rockets, bei der Wahl für die Startaufstellung der West-Auswahl mit überwältigender Mehrheit vor dem bisherigen Superstar der Liga, Shaquille O’Neal von den Los Angeles Lakers, liegt.

O’Neal nimmt’s gelassen: „Yaos Leute sind nun mal stolz auf ihn.“ Dazu haben die Chinesen auch allen Grund: Seit die Houston Rockets Ming in diesem Juni von den Shanghai Sharks gekauft haben, spielt der 22 Jahre alte 2,26-m-Mann und ist auf dem besten Weg, ein überragender Center zu werden. Einen solchen vermisst man – abgesehen von Shaq – in der NBA seit den großen Zeiten von Kareem Abdul Jabbar, Moses Malone, Pat Ewing oder Hakeem Olajuwon schmerzlich.

„Ich fange gerade erst an“, versucht Ming die Erwartungen zu dämpfen, die nicht nur in sportlicher Hinsicht gewaltig sind. Durch den Wechsel nach Houston für läppische 350.000 Dollar ist Ming nämlich zum Kernstück der NBA-Strategie geworden, in der am raschesten wachsenden Wirtschaft der Welt Fuß zu fassen: „Langfristig kann es für uns keinen interessanteren Markt geben als China“, sagt Russ Granik, stellvertretender Commissioner der NBA. Die Rockets attackieren diesen Markt schon jetzt aggressiv: Sie haben Plakatwände in Chinesisch hergestellt, sie produzieren wöchentlich ein Radio- und ein Fernsehinterview mit Ming auf Chinesisch und bieten es chinesischen Sendern an. Die NBA überträgt 120 Spiele pro Saison nach China, 30 davon sind Rockets-Spiele. Und der Präsident der Rockets, George Postolos, achtet persönlich darauf, dass die Rockets-Homepage wöchentlich mit mindestens einer Yao-Story auf Mandarin gefüttert wird.

Ziel der NBA-Vermarkter sind allerdings nicht nur die Chinesen in China, sondern auch die vielen chinesischen Emigranten in Amerika. Als Ming im November mit den Rockets in San Francisco gastierte, kamen rund 6.000 Zuschauer mehr als gewöhnlich zu den Heimspielen der Golden State Warriors. Kein Wunder, denn San Francisco hat rund 1,5 Millionen Einwohner, die aus Fernost stammen. Zu den Rockets-Heimspielen kommen wegen Yao durchschnittlich tausend Zuschauer mehr, die meisten davon Teil der 300.000 Einwohner starken chinesischen Gemeinde in Houston.

Die größten Begehrlichkeiten, denen der junge Mann aus Schanghai ausgesetzt ist, kommen jedoch aus seiner Heimat selbst. Mussten noch vor wenigen Jahren die meisten chinesischen Sportler aus ihrer Heimat flüchten, wenn sie sich im Ausland betätigen wollten, ging Ming mit dem Segen von allerhöchster Stelle. Bei einem Besuch in Texas wünschte Staatspräsident Jiang Zemin persönlich den Rockets und Ming den NBA-Titel. Ming wird in den nächsten vier Jahren in den USA geschätzte 15 Millionen Dollar verdienen, die Hälfte davon soll wieder nach China fließen. Als Entgelt für seine Ausbildung gewissermaßen.

Noch wichtiger ist allerdings der symbolische Ertrag von Mings Engagement in den USA für China. Steven Lewis, Sinologe an der Rice University gegenüber der New York Times: „Yao ist ein Chinese, der für alle sichtbar im Westen seinen Weg macht. Die 500 Millionen starke chinesische Mittelschicht schaut auf ihn und darauf, wie er sich schlägt. Er ist ein Pionier, ein Stellvertreter der Öffnung Chinas in Richtung Westen.“ Kein Wunder, dass sie Ming auf der NBA-Homepage so eifrig in das All-Star-Team gewählt haben. SEBASTIAN MOLL