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Archiv-Artikel

american pie Alles easy für The Big Wiesy

Michelle Wie aus Honolulu gilt als Zukunft des Frauen-Golf, stellt aber auch ihre Eignung für Männerturniere unter Beweis

Als „The Big Easy“ im Waialae Country Club von Honolulu eine Trainingsrunde mit „The Big Wiesy“ gespielt hatte, war er mächtig beeindruckt. „Ein wahres Phänomen“, sagte der Südafrikaner Ernie Els über die Hawaiianerin Michelle Wie, „sie wird das Frauengolf auf eine neue Stufe heben.“ Ein paar Tage später hatte Els das Golf-Turnier in Honolulu gewonnen, Michelle Wie hingegen, die auf ihrem Heimplatz mit einer Wildcard teilnehmen durfte, hatte den Cut nach dem zweiten Tag um einen einzigen Schlag verpasst. Mit 140 Schlägen – genau par – landete sie auf dem 80. Rang, wobei sie einige Profis hinter sich ließ, die schon große Turniere gewonnen haben.

Das ist nicht nur bemerkenswert, weil Wie um ein Haar die erste Frau seit 59 Jahren gewesen wäre, die den Cut bei einem PGA-Turnier schafft, sondern vor allem, weil sie erst 14 Jahre alt ist. Das beunruhigte sogar gestandene Veteranen wie den Schweden Jesper Parnevik. Mit 65 Schlägen blieb er am ersten Tag deutlich vor Michelle Wie, die eine 72er-Runde spielte. „Das war heute mein Hauptziel“, meinte Parnevik erleichtert, „Annika ist eine Sache, aber ein 14-jähriges Mädchen …“ Die Schwedin Annika Sörenstam hatte letztes Jahr für viel Wirbel und feindselige Reaktionen diverser Golf-Machos gesorgt, als sie in Fort Worth an einem Turnier der männlichen PGA-Tour teilnahm und den Cut um vier Schläge verpasste.

Der Auftritt der Neuntklässlerin von der nahe gelegenen Punahou-Schule wurde zwar viel beachtet – ihren Runden folgten mit 3.000 bis 5.000 Fans größere Menschenmengen als dem Finale – er war jedoch frei von jenem Geschlechterkampf, den Sörenstam durchzustehen hatte. Im Vordergrund stand der sportliche Aspekt. Und da hatte Michelle Wie einiges zu bieten. Waren ihre Ankündigungen, einmal regelmäßig auf der PGA-Tour spielen und sogar am Masters in Augusta teilnehmen zu wollen, zuvor meist als naive Äußerungen eines realitätsfernen Teenagers betrachtet worden, sieht die Sache nun anders aus. „Sie kann durchaus auf der Tour spielen“, ist Ernie Els sicher, Golflegende Lee Trevino meint: „Sie ist 1,83 m groß, schlägt den Ball 300 Yards weit und ist 14 Jahre alt, sie kann nur noch besser werden.“ Und hatte Sörenstam nach Fort Worth kleinlaut gesagt, sie wäre wohl bei den Ladys besser aufgehoben, erklärte Wie in Honolulu selbstbewusst: „Ich habe mich nie fehl am Platz gefühlt.“

Wegen ihrer Größe und ihres Tempos hat Golfprofi Tom Lehman das golfende Wunderkind „The Big Wiesy“ genannt – in Anlehnung an den Spitznamen von Ernie Els. Der Südafrikaner scheut sich nicht, einen anderen Vergleich aufs Tapet zu bringen: „In vielem, was sie tut, erinnert sie mich an Tiger Woods.“ Auch der weltbeste Golfer machte schon früh auf sich aufmerksam, doch so jung wie seine Kollegin aus Hawaii spielte auch er nicht auf der PGA-Tour. Besonders beeindruckt waren die Beobachter von Wies Finish am zweiten Tag. Ein 311-Yards-Drive, der manchem Konkurrenten Ehre gemacht hätte, läutete am 16. Loch eine Aufholjagd mit zwei Birdies an den letzten drei Löchern ein. Am Ende stand eine imposante 68er-Runde, die fast noch zum Cut gereicht hätte.

Für die Sponsoren ist Michelle Wie mit ihrem aparten Äußeren und ihrem ethnischen Appeal, der wie im Falle von Tiger Woods geeignet ist, neue Fanschichten anzuziehen, ein gefundenes Fressen. Auch in Zukunft werden ihr Wildcards manche Tür öffnen, wenn sie an einem Männerturnier teilnehmen möchte. Hawaiis bester Golfer Dean Wilson, der trotz etlicher Turniersiege noch nie eine Wildcard für Honolulu bekommen hat, räumte ein: „Michelle ist die perfekte Wahl. Ich hasse es zu sagen, aber niemand schaltet den Fernseher ein, um mich spielen zu sehen.“ Und Craig Barlow sagte am ersten Tag ein wenig neidisch: „Es waren nicht allzu viele Leute da, aber die hat sie alle aufgesaugt.“

Es fehlt nicht an Stimmen, welche dazu raten, die Karriere der Golferin, die stets ihren vor Stolz platzenden Vater B.J. (diesmal im „Wie-Go“-T-Shirt) im Schlepptau hat, behutsam voranzutreiben, und auf einige gescheiterte Super-Talente verweisen. Bisher nimmt Michelle Wie den Hype jedoch gelassen. „So viele von euch hatte ich nicht erwartet. Ich dachte, ihr seid inzwischen an golfspielende Frauen gewöhnt“, scherzte sie mit den Journalisten. Und über ihr erstes PGA-Turnier meinte sie: „Meine Spielpartner waren sehr nett zu mir – und das Essen war auch großartig.“ MATTI LIESKE