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Archiv-Artikel

american pie Grinsebär als Champion des Volkes

Nach seinem Triumph beim Masters in Augusta will der populäre Golfprofi Phil Mickelson den schwächelnden Tiger Woods als Nummer eins ablösen

Über weibliche Teilnehmer bei den Turnieren der PGA-Tour zu lästern gehört in gewissen Kreisen der Männerwelt des Profigolfs noch zum guten Ton. Niemand wird hingegen etwas darüber sagen, dass Tiger Woods schwarz ist. Lange Zeit war Golf in den USA der weiße Sport schlechthin, mehr noch als das Tennis, und in vielen Klubs, vor allem in den Südstaaten, gab es bis in die 80er-Jahre hinein Kontroversen und Skandale um die Nichtzulassung schwarzer Mitglieder. Heute, da nach einem Bonmot von Boris Becker „der beste Rapper weiß und der beste Golfer schwarz“ ist, lässt sich höchstens indirekt spüren, dass zumindest Reste der alten rassistischen Ressentiments noch wirken. Etwa bei der ungeheuren Begeisterung, die den dramatischen Masters-Triumph des 33-jährigen Phil Mickelson aus Arizona am Wochenende in Augusta/Georgia begleitete.

Der Jubel um den letzten Putt am 18. Loch, mit dem Mickelson den Südafrikaner Ernie Els noch abgefangen hatte, nachdem sich beide in der zweiten Hälfte der Schlussrunde die Birdies nur so um die Ohren geschlagen hatten, war verständlich. Mickelson ist nicht nur ein überaus sympathisch wirkender Golfer, der eine bodenständige Gemütlichkeit ausstrahlt und permanent ein wohlgefälliges Lächeln spazieren trägt, sondern galt bislang auch als etwas tragische Figur. Den Superlativ des besten linkshändigen Golfers hat er seit langem inne, ein anderer Superlativ, der ihm weniger behagte, war jener des „besten Golfers, der nie ein großes Turnier gewann“. Zweimal hatte er mit ansehen müssen, wie bei den US Open und bei den PGA Championships unglaubliche Putts anderer Spieler ihm in letzter Sekunde noch den Sieg raubten, mehrfach brachte er sich mit eigener Nervenschwäche selbst um die Früchte aller Mühen. Mit 22 PGA-Titeln ohne ganz großen Triumph war er drauf und dran, einsamer Rekordhalter in dieser Kategorie zu werden.

Und auch diesmal schien er am letzten Tag seinen Meister gefunden zu haben. Ernie Els spielte eine phänomenale 67er-Runde, doch dann brauchte Mickelson für die letzten neun Löcher nur 31 Schläge und krönte das beste Finish seit Jack Nicklaus 1986 mit dem siegbringenden Putt aus fünfeinhalb Metern. „Ein Traum ist wahr geworden“, schwärmte er, nachdem er seine Freudensprünge beendet hatte, bei denen er „wie ein Idiot“ aussah. Das sagte er zumindest bei späterer Betrachtung selbiger auf einem Fernsehschirm, nicht ohne hinzuzufügen: „Macht aber nichts.“

Auf dem Weg ins Klubhaus, wo ihm Vorjahressieger Mike Weir das begehrte grüne Jackett des Masters-Gewinners überstreifte, herzte Mickelson brav Gattin Amy, welche im letzten Jahr die Geburt des jüngsten von drei Kindern fast nicht überlebt hätte, dann die anwesenden Sprösslinge. „Daddy hat gewonnen. Kannst du das glauben?“, strahlte er seine schnullerbewehrte Tochter Sophia vor laufenden Kameras an, und die golfbegeisterte Nation vor den TV-Geräten war so begeistert wie gerührt.

Phil Mickelson ist jedoch nicht nur ein golfender Grinsebär mit Familiensinn, sondern ein bisschen auch das, was im Boxen früher „The Great White Hope“ war. Tiger Woods hat sich Respekt und Bewunderung erspielt, aber ein Liebling der Massen ist der distanzierte Kalifornier nie geworden. Und ob der 28-Jährige mit dem einwöchigen militärischen Training, das er gerade bei den Green Berets in Fort Bragg absolviert, denen einst sein Vater angehörte, zusätzliche Sympathien beim weißen Amerika gewinnt, darf bezweifelt werden.

Nicht wenige sähen statt des schwächelnden Tiger Woods, der diesmal beim Masters nur 22. wurde und seit nunmehr sieben Major-Turnieren auf seinen neunten Triumph wartet, lieber Mickelson als Nummer eins. „Champion des Volkes“, nennt Sports Illustrated den Mann aus Scottsdale und erklärt scharfsichtig, warum er das ist: „Der All-American-Boy, der das blonde All-American-Girl geheiratet hat und ein All-American-Life führt“. Dass der populäre „Lefty“ nicht nur der beste linkshändige Golfer der Welt, sondern der beste überhaupt sein möchte, daraus hat er selbst nie einen Hehl gemacht. Die Umstellung seines gewaltigen Drive, der jetzt nicht mehr ganz so weit fliegt, dafür aber meist auf dem Fairway landet, könnte den entscheidenden Kick zur Erreichung dieses Ziels gegeben haben. Schließlich ist Golf eine Sportart, in der auch ältere Herren noch von einer grandiosen Zukunft träumen können, wie beim Masters nicht zuletzt Bernhard Langer bewies, der mit seinen 46 Jahren lange Zeit auf seinen dritten Titel in Augusta hoffen durfte und am Ende Vierter wurde. MATTI LIESKE