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Archiv-Artikel

american pie Das Karma des Basketballs

Wegen diverser Widrigkeiten bei den Super Lakers haben die besten Chancen auch in dieser NBA-Saison die San Antonio Spurs

Die gute Nachricht für alle Fans der Los Angeles Lakers: Kobe Bryant wird die gerade begonnene Saison in der Basketball-Liga NBA nicht hinter Gittern verbringen: Die schlechte: die nächste möglicherweise schon. Seit letzter Woche ist klar, dass sich der 25-Jährige wegen Vergewaltigung vor Gericht verantworten muss, und die Indizien, die bisher von der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden – Blut der Klägerin an seiner und ihrer Kleidung, Verletzungen im Intimbereich, die einem Gutachten zufolge nicht mit dem von Bryant behaupteten einverständlichen Sex zusammenpassen – sprechen nicht gerade für ihn. Allerdings wird der Prozess nicht vor dem Frühjahr stattfinden, vermutlich beginnt er sogar erst nach Ende der NBA-Saison.

„Wenn du spielst, denkst du an nichts anderes“, sagt Kobe Bryant zwar, doch eine schwere Belastung für die neu formierten Lakers, einen der heißesten Favoriten auf den Titel, ist die Sache allemal. „Das Karma des Lebens lässt die Würfel rollen“, sagt gewohnt weise Lakers-Coach Phil Jackson, „alles wendet sich zu deinem Besten, sofern du das Richtige getan hast.“ Nach dem Aus gegen Champion San Antonio Spurs in der zweiten Play-off-Runde hatte sich Jackson nicht, wie mancherorts erwartet, zur Ruhe gesetzt, sondern mit neuem Elan am Team gebastelt. Mit der Verheißung eines Meisterschaftsringes lockte er Karl Malone (40) und Gary Payton (35) nach Los Angegeles, die zusammen mit Shaquille O’Neal und Kobe Bryant ein imposantes All-Star-Quartett bilden sollen.

Ein spektakuläres, aber auch schwieriges Projekt, das sich noch komplizierter durch Bryants moralischen Absturz gestaltet – jenseits von Schuld oder Unschuld. Wo immer die Lakers auftreten, ein feindseliger Empfang dürfte dem bei gegnerischen Fans arroganzbedingt ohnehin nicht sonderlich beliebten Jungstar gewiss sein. Eine weitere Auswirkung der Bryant-Affäre ist der störende Ansturm von Fernseh-Teams und anderen Journalisten, die kein bisschen am Basketball, aber dafür umso mehr an Kobe und seinem Prozess interessiert sind.

Auf sportlichem Gebiet steht Phil Jackson vor der Herausforderung, aus seinen selbstverliebten Stars ein Team zu formen und für jeden genügend Spielanteile zu bieten. Zum Beispiel muss der Coach den klassischen Point Guard Gary Payton in seine „Triangle Offense“ einbinden, die ohne dominanten Spielmacher funktioniert. Klar ist eine Sache: Wenn sich Bryant mit derartigen Mitspielern weiter seine 30 Würfe pro Spiel unter den Nagel reißt, gibt es Ärger.

Genau genommen hat es ihn schon gegeben. Bryant müsse mannschaftsdienlicher spielen, rügte Shaquille O’Neal bereits nach den ersten Vorbereitungspartien und provozierte damit eine heftige Neuauflage des alten Konflikts zwischen den beiden Lakers-Stars. Er wisse selbst, wie man Guard spiele, blaffte Bryant zurück, Shaq solle sich um seinen „Low Post“ kümmern. Richtig sauer wurde er, als O’Neal zu Kobes Absicht, am Ende der Saison seinen Vertrag bei den Lakers auslaufen zu lassen, bemerkte: „Das geht in Ordnung, es ist sowieso mein Team.“ Wenn es Shaqs Team sei, „dann sollte er langsam mal danach handeln, und das bedeutet mehr, als fett und ohne Form ins Trainingscamp zu kommen“, wetterte Bryant. „Es bedeutet auch, dass man nicht mehr andere für Fehlschläge verantwortlich macht oder sein Verletzungen überdramatisiert, damit einem nicht fehlende Kondition vorgeworfen wird.“ Er würde jedenfalls nicht 15 Spiele wegen einer Zehenverletzung verpassen, „von der jeder weiß, dass sie so ernst nicht war“.

Gut möglich, dass ein Mangel an Harmonie im Lakers-Camp doch wieder die anderen Powerhäuser des Westens nach oben spült, vor allem Titelverteidiger San Antonio Spurs. Der hat zwar Jason Kidd nicht bekommen, sich aber mit Rasho Nesterovic, Robert Horry, Hedo Türkoglu, Ron Mercer und Anthony Carter überaus klug verstärkt. Für die Sacramento Kings, die All-Star Brad Miller hinzu bekamen, wird viel von Chris Webbers Fitness abhängen. Schwer fällt es, an Dirk Nowitzkis Dallas Mavericks zu glauben. Offenbar will Coach Don Nelson diese Saison ganz ohne Verteidigung spielen, anders ist kaum zu erklären, dass er einem Team, welches sowieso schon den höchsten Punkteschnitt der Liga hatte, mit Antawn Jamison und Antoine Walker zwei ausgewiesene Scorer hinzufügte, die kaum für ihre Defense bekannt sind.

Und die Eastern Conference? Nun, in einer Spielzeit, die Commissioner David Stern wegen der vielen Spieler- und Trainerwechsel sowie Clevelands Super-Rookie LeBron James eine „Saison der Wiedergeburt“ nennt, dürfte der Osten auch diesmal eher eine Randnotiz bleiben.

MATTI LIESKE