american pie : Kindsentführung im Terrorkrieg
Der russische Eishockeyklub Metallurg Magnitogorsk streitet mit der NHL um das Riesentalent Jewgenij Malkin – Geld spielt dabei natürlich auch ein Rolle
Geht es nach Gennadij Welitschkin, wird der „war on terror“ demnächst wohl nicht im Iran oder Afghanistan weiter geführt, sondern im Herzen der USA selbst, in Pittsburgh, Pennsylvania, nämlich. Hier wie dort spielen Geiseln eine nicht unerhebliche Rolle, sodass Welitschkin, Manager des russischen Eishockeyklubs Metallurg Magnitogorsk, „Sport-Terrorismus“ entdeckt haben will.
Der Zankapfel heißt Jewgenij Malkin. Mancher Experte hält den 20-Jährigen für mindestens so talentiert wie seinen Landsmann Alexander Owetschkin von den Washington Capitals oder den Kanadier Sidney Crosby von den Pittsburgh Penguins, die bereits in der NHL für Aufsehen sorgen. Die Penguins sind es nun wohl, die ihrem Jungstar Crosby ein weiteres Toptalent zur Seite stellen wollen. Magnitogorsk-Manager Welitschkin jedenfalls ist überzeugt, seine amerikanischen Kollegen hätten „den Diebstahl des Jahrhunderts“ begangen. Denn das Objekt der Begierde ist seit dem vergangenen Samstag spurlos aus dem Trainingslager seines Klubs in Finnland verschwunden. Erst in der Woche zuvor hatte Malkin seinen bis 2008 laufenden Vertrag mit dem Klub aus der Stahlstadt im Südural aufgelöst, aber sofort einen neuen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben. „Vier Tage hat Malkin bereits mit der Mannschaft trainiert“, erzählt Welitschkin, „und dann haut er ab ohne ein einziges Wort.“
Man sei nun „sehr aufgebracht“, so Welitschkin: „Sie reden gerne von Demokratie, und dann stehlen sie schamlos unsere besten Spieler. Man darf nicht vergessen, dass Malkin noch fast ein Kind ist. Er ist noch naiv und leicht zu beeinflussen, wie großartig der amerikanische Traum und die NHL sind.“ Metallurg Magnitogorsk gedenke nun rechtliche Schritte einzuleiten. Die Frage ist momentan allerdings noch: Gegen wen? Denn Malkin ist vorerst verschwunden, seine Absichten unklar. Er soll in Toronto gesehen worden sein, aber sein Agent Pat Brisson ließ nur verlauten, dass es ihm gut gehe, aber nicht, wo er sich momentan aufhalte. Selbst seine Eltern wissen angeblich nicht, wo Malkin ist: Ihr Sohn sei „eingeschnappt“, erzählten sie der Prawda, und hätte sein Handy abgestellt. Metallurg hätte seinen Sohn unter Druck gesetzt, „obwohl er mit seinem Kopf bereits in der NHL war“, berichtete Vater Wladimir. Die Unterschrift unter den neuen Vertrag sei um drei Uhr morgens zustande gekommen.
Der ist nun wohl hinfällig. Nicht nur Welitschkin ist sich sicher, dass Malkin wohl in Pittsburgh wieder auftauchen wird, denn schließlich hatten sich die Penguins bereits vor zwei Jahren die NHL-Rechte an dem Nachwuchsmann gesichert, und Malkin selbst hatte stets bekräftigt, in der nordamerikanischen Liga gegen die Besten der Welt spielen zu wollen. Dies wird ihm wohl schon ab diesem Herbst gestattet sein, denn auch die Verantwortlichen bei Metallurg erwarten nicht, dass ihr Star wieder zurückkehrt. Hoffnungen macht man sich aber auf eine saftige finanzielle Entschädigung. Denn Russland erkennt als einzige bedeutende Eishockey-Nation nicht jenen Vertrag zwischen dem Weltverband IIHF und der NHL an, der die Ablöse von Spielern regelt, die nach Nordamerika wechseln. Diese Regelung würde Metallurg automatisch 200.000 US-Dollar für Malkin garantieren. Die Russen wollen wohl mindestens das Zehnfache. „Malkin war unser goldener Diamant“, zürnt Welitschkin, „er ist bei uns unter Vertrag, wir haben unsere Mannschaft um ihn herum gebaut. Da können wir nicht einfach herumsitzen und nichts tun. Wir müssen nicht nur Pittsburgh verklagen, sondern die ganze NHL und ihre Arroganz.“ THOMAS WINKLER