am checkpoint charlie patrouillieren vopos – und ärgern echte polizisten : „Gennse ma schecken?“
Irgendwann gesellte sich zu den Polizisten von gestern einer von heute. Weil jemand von vorgestern sich beschwert hatte. Man braucht schon eine Genehmigung, wenn man an der ehemaligen Sektorengrenze am Checkpoint Charlie steht und aussieht wie ein Volkspolizist. Oder wie ein realsozialistischer Zollbeamter. Mehr als zehn Jahre nachdem auch „drüben“ herüben wurde.
Der echte Polizist forderte den falschen DDR-Grenzbeamten also auf, den Hut zu nehmen, oder die Mütze, und die Uniform auszuziehen. Er solle aber bloß nicht nackig stehen bleiben, sonst müssten sie wiederkommen. Wegen der Erregung öffentlichen Ärgernisses.
Obwohl es die Touristen eigentlich freut, dass Tom Luszeit, der Schauspielschüler, mit wechselnden Kollegen an der ehemaligen Zonengrenze patrouilliert. Sie lassen sich gerne neben den nostalgisch gekleideten Männern fotografieren. Sie zahlen sogar einen Euro pro Vopo-Foto.
Manchmal macht Luszeit Bananenkontrollen, wenn einer, aus dem Westen kommend, das Grenzhäuschen passiert. Manchmal pfeift er Republikflüchtige mit einer Trillerpfeife zurück. Manche Autofahrer bitten um eine Kofferrauminspektion: „Gennse ma schecken“, sächseln die Berliner dann. Alles nur Spaß. „Straßenunterhaltung“, sagt der Schauspielschüler. Bisher haben alle mitgemacht. Sogar ehemalige DDR-Grenzer sind gekommen. Haben Tee spendiert. Haben Tipps gegeben, wie man die Uniform richtig trägt. Haben sich auch amüsiert. Man muss sich doch amüsieren. Es ist doch Ostalgie, findet Luszeit in seinem Volkspolizistenoutfit aus dem Kostümverleih.
Fand der Polizist von heute nicht – gestern. Der Streifenpolizist von heute ist nämlich auch ein Grenzer von gestern, nur gibt es seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Bundesgrenzschutz, auch heute noch. Bei seiner Kontrolle hat er dem anderen Grenzer von gestern, dem zweiten DDR-Beamten neben Luszeit, mitgeteilt, dass für seine Uniform keine Genehmigung vorliege. Der Volkspolizist Tom Luszeit hatte eine. Er durfte die dunkelgrüne Uniform anbehalten. Luszeit hat die ganze Aktion organisiert. Dabei müsse er wohl vergessen haben, den Zöllnerlook seines Kollegen zusätzlich genehmigen zu lassen. Er wird das klären. Die ostalgische Grenzüberwachung hat schließlich erst begonnen. Im Sommer soll es richtig losgehen. Dann stehen noch mehr Grenzer von gestern am Checkpoint Charlie als heute.
Allerdings wachen sie auf ehemals amerikanischer Seite. Das ist das Verkehrte an der Aktion. Das Bezirksamt Mitte, die Zone sozusagen, hatte kein Interesse daran. Kreuzberg dagegen, der amerikanische Sektor, zeigte sich kooperativ. Deshalb dürfen Luszeit und seine angehenden Schauspielerkollegen nicht auf dem Gebiet der DDR stehen, sondern nur im Westsektor. Dort, wo sich die echten Vopos und Grenzer aus dem Sozialismus nie hingetraut hätten. Ein russischer Soldat sieht auf die Schauspieler herunter. Von einem Bild. Indifferent blickt er drein.
Ganz anders führte sich der Vorgestrige auf, der die Polizei zum Einsatz rief. „Früher hätten wir euch weggewichst“, drohte er Luszeit und Kollegen. „Früher“, hätten die beiden antworten sollen, „da hätten wir Sie gar nicht rübergelassen.“
JOHANNES GERNERT