piwik no script img

alley-hoopPublikums-Europarekord im deutschen Basketball

DER RIESE REIBT SICH DIE AUGEN

18.506 Zuschauer bei einem Basketballspiel, das ist nicht nur Rekord für die Bundesliga, sondern für ganz Europa. Entsprechend groß war die Euphorie nach dem 72:64-Sieg des deutschen Meisters Alba Berlin gegen Vizemeister Baskets Bonn am Freitag in der ausverkauften Kölnarena. „Es ist uns gelungen, den schlafenden Riesen in Deutschland zu wecken“, frohlockte Bonns Präsident Wolfgang Wiedlich.

Als die Baskets zuerst mit dem Plan an die Öffentlichkeit getreten waren, das letzte Saisonspiel vor den Play-offs im Kölner Hallenmonster auszutragen, hatten sie noch reichlich Spott und Skepsis geerntet. Die Verantwortlichen rechneten sogar damit, die oberen Ränge zuhängen zu müssen, um die angestrebte NBA-Atmosphäre nicht durch leere Sitzreihen zu konterkarieren. Doch die offensive Werbekampagne für das Match sorgte im Verein mit niedrigen Eintrittspreisen dafür, dass die Karten schon zwei Tage vor der Partie restlos weg waren und Wiedlich mit Fug und Recht sagen durfte. „Wir hätten noch 5.000 mehr verkaufen können.“ Gleichzeitig war der Run auf die Baskets eine Bestätigung der These von Alba Berlin und deren Coach Svetislav Pesic, dass es nur entsprechender Präsentation bedarf, um dem Basketball in Deutschland ein größeres Publikum zu verschaffen. Auch dem Umzug von Alba Berlin in die 8.500 Menschen fassende Max-Schmeling-Halle waren 1996 vielerorts nur geringe Erfolgschancen eingeräumt worden.

Keine Chance beim Basketball-Zapping

Der Vorwurf, Basketball miserabel zu präsentieren, gilt in erster Linie dem Fernsehen, das auch beim spektakulären Match in der Kölnarena bewährte Ignoranz walten ließ. Wohin man zappte am Freitagabend, von Basketball keine Spur. Nicht einmal im Videotext gab es eine Meldung, sondern lediglich das nackte Ergebnis auf der normalen Bundesligaseite. Nach der immerhin partiellen Live-Berichterstattung vom Pokal-Finalturnier eine Woche zuvor ein Rückfall in finstere Zeiten öffentlich-rechtlicher Basketball-Aversion, die in der Vergangenheit unter anderem dazu führte, dass weder vom europäischen All Star Game 1998 in Berlin, noch vom Final-Four-Turnier der Europaliga 1999 in München Bilder zu sehen waren, und auch die Europameisterschaft im letzten Jahr mehr als stiefmütterlich behandelt wurde.

Argumentiert wird stets mit niedrigen Einschaltquoten wie etwa beim live auf B1 gesendeten Europaliga-Achtelfinale zwischen Alba Berlin und Efes Istanbul, doch dem hält Svetislav Pesic entgegen: „Es kommt darauf an, wie man das Produkt Basketball verkauft.“ Selbstläufer gibt es in der heutigen Fernsehlandschaft keine mehr. In Köln habe man jedenfalls gesehen, so Pesic, „das Potenzial in Deutschland ist da“.

Die Sendegarantie ist absolut unverzichtbar

Auch Alba-Vizepräsident Marco Baldi sah in der Partie der beiden modernsten deutschen Klubs „einen großen Impuls für den deutschen Basketball“ und betrachtet das Rekordmatch als „hilfreichen Schritt“ bei den Verhandlungen über einen neuen TV-Vertrag. Nachdem im Vorjahr ein Abschluss mit Pro 7 platzte, weil zu früh Interna an die Öffentlichkeit drangen, schweigt sich die Arbeitsgemeinschaft Basketball-Bundesliga (BBL) über den Stand der Dinge aus. Drei Partner mit unterschiedlichen Konzepten seien im Gespräch, wichtigster Punkt, so Leverkusens Manager Otto Reintjes, ist jene Sendegarantie, deren Fehlen sich in der Vergangenheit bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten so fatal auswirkte. „Das ist ein absolutes Muss“, konstatiert Reintjes. Mit dem Fernsehvertrag in der Tasche hofft man dann einen zahlungskräftigen Hauptsponsor auftreiben und die Bundesliga weiter an den Standard der großen südeuropäischen Ligen heranführen zu können.

Nicht unwichtig wäre in diesem Zusammenhang ein möglichst spannender Verlauf der in knapp zwei Wochen beginnenden Play-offs. Neben Pokalsieger Frankfurt Skyliners gelten die Baskets Bonn auch in diesem Jahr als das Team, das die Berliner am ehesten gefährden könnte, selbst wenn es sportlich zuletzt nicht ideal lief. Am Freitag hielt Bonn nur bis zum 55:55 drei Minuten vor Schluss mit, dann zog der Titelverteidiger davon. Ob bei einem möglichen Aufeinandertreffen im Halbfinale oder Finale erneut von der 4.000 Zuschauer fassenden Bonner Hardtberghalle nach Köln umgezogen wird, ist noch nicht entschieden. Svetislav Pesic („tolle Atmosphäre“) ist unbedingt dafür; Manager Wiedlich will aber erst die Fans der Baskets befragen. Die hatten sich allerdings schon vor dem Match am Freitag mit überwältigender Mehrheit via Internet dafür ausgesprochen, „Köln wach zu küssen“, wie es stolz in der Lokalpresse hieß.MATTI LIESKE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen