al forno : „Wir sind schließlich in Italien!“
FRANK KETTERER trifft den Olympischen Geist und spricht mit ihm über Busfahren, Tickets und Jochen Behle
taz: Signore Spirito, schön, dass Sie uns zum Abschluss doch noch für ein kurzes Interview zu Verfügung stehen.
Olympischer Geist: Aber ich bitte Sie, das ist doch selbstverständlich. Und für die taz tue ich das besonders gerne. Bis auf gewisse Teile liebe ich Ihre Zeitung, vor allem Ihren Sportteil mag ich sehr, diese – wie nennen Sie es doch gleich: Übungen des Leibes?
Leibesübungen!
Naturalmente, Leibesübungen! Meraviglioso! Also: Was wollen Sie wissen?
Warum musste man so lang nach Ihnen suchen und hat Sie bei keinem der Wettkämpfe angetroffen?
Ach wissen Sie, dieses Olympia ist eine große Veranstaltung, da kann man sich schon mal verpassen. Wahrscheinlich waren Sie immer gerade bei den Veranstaltungen, bei denen ich nicht war. Wenn ich mit dem Bus nach oben gefahren bin, zum Beispiel nach Sestriere, dann saßen Sie wahrscheinlich gerade im Bus nach unten Richtung Turin.
Sie mussten als Olympischer Geist mit dem Bus fahren?
Naturalmente. Was denken Sie denn? Wobei: Manchmal bin ich mit dem Bus gar nicht gefahren, sondern einfach nur rumgestanden. Aber ich will mich nicht darüber beschweren, im Prinzip habe ich Glück gehabt.
Glück beim Busfahren?
Si, si! Ich kam wenigstens immer an. Nicht immer pünktlich, aber das wäre wohl auch zu viel verlangt gewesen, wir sind schließlich in Italien. Auf jeden Fall bin ich heilfroh, dass es mir nie so ergangen ist wie einem Ihrer Kollegen.
Was ist passiert?
Der Busfahrer hat ihn vor die Tür gesetzt.
Wie bitte?
Si! Ihr Kollege wollte an einer Haltestelle aussteigen, an der der Busfahrer vergessen hatte zu halten. Und als Ihr Kollege sich lautstark zu beschweren anfing, warf der Fahrer zunächst das Gepäck Ihres Kollegen aus dem Bus – und dann den ganzen Kerl.
Wie ging es weiter?
Zunächst gar nicht. Der Busfahrer rauchte erst mal eine Stange Zigaretten. Und bis wir weiterfahren konnten, hatten wir schon so viel Zeit verloren, dass das Rennen längst gestartet war, zumal wir zu allem Überfluss auch noch an der Sicherheitskontrolle Schlange stehen mussten.
Wegen des Andrangs.
Nein, nicht deswegen. Aber die Carabinieri machen immer nur eine der fünf Sicherheitsschleusen auf. Zwei der – wie sagt man doch gleich? – Bullen …
Polizisten!
Scusi! Zwei der Bullizisten machen die Arbeit, und die anderen zehn schauen zu.
Dann haben Sie bestimmt auch keinen Sitzplatz mehr bekommen?
Aber sicher. Das ist ja das wirklich Gute an diesen Spielen: Da es kaum Zuschauer gibt, findet man immer einen Platz, selbst wenn man zu spät kommt.
Warum sind die Ränge so leer?
Das ist ein genialer Trick des Veranstaltungskomitees, das die Karten hauptsächlich in Paketen verkauft hat.
Das heißt?
Wenn Sie zum Beispiel eine Karte fürs Eiskunstlaufen haben wollten, das ja ziemlich gefragt ist, mussten Sie automatisch noch Karten für Veranstaltungen nehmen, die nicht so populär sind.
Wir verstehen! Das Veranstaltungskomitee hat auf diese Weise zwar ziemlich viele Karten verkauft, auch für die weniger populären Sportarten, aber die Zuschauer sind nicht hingegangen, obwohl sie eine Karte hatten.
Si! Sie sind wirklich ein kluger Kopf.
Entschuldigen Sie, aber wir haben den Eindruck, dass Sie das alles nur erfunden haben, so irr, wie sich das anhört.
Warum sollte ich?
Weil Sie zum Beispiel davon ablenken wollen, dass Sie in Wahrheit doch nicht vor Ort waren. Der taz liegen jedenfalls Informationen vor, die besagen, Sie hätten sich die meiste Zeit außerhalb Italiens aufgehalten, weil Sie Angst vor den Carabinieri hatten.
Das ist eine ganz üble Unterstellung – und wenn Sie das schreiben, dann werde ich Ihnen meine Anwälte auf den Hals hetzen. Ich habe nichts Verbotenes getan oder genommen, und deshalb muss ich auch keine Angst vor den Carabinieri haben. Die können zu mir kommen, wann sie wollen. Rund um die Uhr. 24 Stunden am Tag.
Sicher?
Ganz sicher. Außer später am Abend natürlich. Also das wäre dann ja auch wirklich eine Unverschämtheit. Am Ende würde man sich noch vorkommen wie ein Schwerverbrecher, obwohl man nur ein unschuldiger Geist ist und nichts getan hat. Nichts getan! Ich bin unschuldig.
Das haben die Österreicher anfangs auch behauptet.
Dass Sie jetzt ausgerechnet mit denen kommen, war klar. Aber das war ein Einzelfall.
Es hat die ganze Mannschaft betroffen.
Mamma mia, dann war es halt ein mannschaftlicher Einzelfall. Nur weil ein skilanglaufendes Schaf schwarz war, gilt das nicht gleich für die ganze Herde.
Und was ist mit der Biathletin Pylewa?
Nächste Frage!
Wie ist es um Ihre Blutwerte bestellt, zum Beispiel um den Hämoglobinwert?
Was denken Sie, warum ich hier ständig Wasser trinke? Und überhaupt: Selbst wenn mein Hämoglobinwert höher wäre als erlaubt, hätte das noch lange nichts zu sagen. Dann wäre es nämlich genetisch bedingt. Außerdem komme ich gerade aus dem Höhentrainingslager. Da kann der Wert schon mal höher sein. Im Übrigen halte ich diese Sache mit den Grenzwerten ohnehin für ausgemachten Humbug. Völlig aus der Luft gegriffen, ohne jeden wissenschaftlichen Hintergrund.
Geister haben Gene?
Nun ja, ähem, zumindest so was Ähnliches. Aber ich will mich da jetzt auch gar nicht weiter drauf einlassen, mein Deutsche isse niche so gute. Verstehen? Aber fest steht: Meine Werte sind in Ordnung. Da können Sie Jochen Behle fragen.
Wo ist Behle?
Hihihihi.
Warum lachen Sie?
Weil ich diese Frage schon des Öfteren gehört habe.
Und? Wo ist er?
Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er gerade Bengt Saltin, den Chef der medizinischen Kommission der Fis, beschimpft. Ich sag Ihnen: Dieser Behle hat’s richtig krachen lassen. Der nimmt kein Blatt vor den Mund.
Das gefällt Ihnen?
Naturalmente! Der Kerl hat Recht. Er ist jedenfalls durch und durch vom Olympischen Geist beseelt. Der passt prima hierher. Genau so ist Olympia!
Signore Spirito, wir bedanken uns für dieses Gespräch.