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Archiv-Artikel

agenda 2010 Nun kommt Schweizer Käse

PETER ORTMANN ist Kulturchef der taz nrw und fiel einst in ein tiefes Kohlekultur-Loch. Er glaubt, es ist noch da.

Load up on guns,

bring your friends,

Its fun to lose and to pretend

Shes overboard, myself assured

I know I know, a dirty word (K.C.)

Löcher gibt es im Ruhrgebiet immer wieder. In den gefüllten Hosentaschen der so genannten (reichen) Sozialschmarotzer und natürlich im prallen Geldeimer der (natürlich armen) Ruhr 2010 GmbH. Andere Löcher entstehen in der kommenden Europäischen Kulturhauptstadt quasi über Nacht, darin verschwinden dann Häuser, Garagen und freilaufende arme Hunde, deren Marke niemand zahlt. Das nennt man dann Folgen des Kohleabbaus. Auch ich armer Hund wäre einst im Loch verschwunden, wenn ich mit meinen beiden Freunden nicht noch ein zweites entdeckt hätte, welches uns dann aus der abgesoffenen Zeche Caroline in Bochum wieder ans Tageslicht führte. Die Blessuren sind längst verheilt. Ein Indianer kannte damals ja noch keinen Weltschmerz und sagen durften wir ja auch nix, der Zutritt in die eingebrochenen Stollen war staatlich und familiär verboten.

An die fahrlässige Lebensgefahr dachte ich, als die designierte RuhrTriennale-Chefin Marie Zimmermann uns freiwillig ins Nirwana verlies. Im Revier entstand ein tiefer Canyon, für den man viel Füllmaterial brauchen wird. Denn absaufen lassen will und kann man die RuhrTriennale nicht – schließlich soll sie 2010 der glänzende Kristall-Turm für unsere Hofpolitiker werden. So werden sie jetzt schnell wieder aus ihren farbigen Löchern kommen, die schwarze Regierung mit gelben Mini-Appendix und natürlich die rostroten Reviergenossen, die über den RVR eigentlich viel Einfluss auf die Kulturhauptstadt haben. Der Event kommt schneller als alle denken und nicht vergessen – 2010 sind auch Landtagswahlen. Alle müssen sich also schnell eine neue Intendantin erfinden. Oder endlich mal wieder einen Intendanten? Macht Fritz Pleitgen das jetzt auch noch, oder ist Peter Sellars jetzt schon die – „was sollen wir sonst machen?“ – Notlösung?

Das dreckige Wort heißt: kulturloses Parteiengerangel. Nein, neben dieser Person will Ministerpräsident Jürgen Rüttgers im Kulturhauptstadtwahljahr nicht stehen. Und die da lässt sich politisch schon gar nicht durchdrücken. Sie denken, es ginge um Kultur? Denken, es ginge um Qualität? Sie denken etwa, es ginge ums Ruhrgebiet? Trööt. Aufwachen. Es geht um Einfluss auf und Macht über Medienwirkung und ums Geld verdienen. Dafür wird Theater wieder politisch. NRW-parteiintern und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es gibt eine Komödie. Ganz sicher.

Mit Marie Zimmermann hat das Revier die kulturelle Hoffnung verloren. Das traurige Loch wird mit Sicherheit nicht wieder gefüllt werden. Dennoch: Here we are now. Entertain us.

PETER ORTMANN