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Zwischen den RillenGesänge aus der Mädchenkammer

■ Uhu la la: Hymne an Bernadette Hengst von Die Braut haut ins Auge

Ach, Bernadette, die Du mit Vatersnamen auch noch Hengst heißest, ach, Bernadette, verrätst Du uns, wie es zugeht, daß jemand wie Du laut in der Mädchenkammer vor sich hin singt – und dafür gleich mit einem Major-Plattenvertrag belohnt wird? Denn, Bernadette, wenn Lieder wie Blumen sein sollen, so sind diese, Deine Lieder wie blühende Disteln, die von weißen Hochzeiten träumende Jungfern vor die zierlichen Füße gestreut bekommen.

Ach, von „Braut“, Bernadette, wagen wir hier gar nicht zu sprechen, obwohl es Dich auf dem Weg zur Heiligkeit doch selbst danach gelüstet. „Die Braut haut ins Auge“, hast du deine musizierenden Mädels, deine All-Girl- Band genannt, und warum sie das tut, die Schlimme, wirst Du uns mit deinen so ganz unätherischen Gesängen zu erklären wissen. Keine von uns wird hernach je wieder das Verlangen verspüren, ein Blümchenkleid oder gar einen anmutigen Strohhut zu tragen. Alle werden wir hauen wollen.

Warum nur? Vielleicht, weil Männer immer nur an das eine denken und Frauen respektive Mädchen sich darüber ärgern – „alles, was ihr wollt, ist ficken!“ Das ist Dir, Bernadette, zu wenig, wo es doch um nichts Geringeres als die Realität selbst geht. „Jetzt ist kein Platz für Meditation / Was wird aus meiner Generation“, erhebt sich Deine helle, aber kraftvolle Mädchenstimme aus der Mädchenkammer.

Alles was Dir fehlt, ist Geld, ein Mann uhu la la (trotz allem) und Gott. Das verschlägt uns wiederum glatt die Sprache, uhu la la la, wie sich da der Schlager auf den Barrikaden der Anarchie erhebt. Und Du, Bernadette, weißt auch schon, wogegen Du bist: „Wir sind gegen alles, was die Umwelt zerstört / und dafür, daß alles allen gehört / wir haben zwar noch nie Marx gelesen / doch für Sozialismus sind wir immer gewesen.“ Die Männer sind das offenbar nicht, schubidudammdamm; sie sind gerade mal gut genug, um sie zu zitieren, wie Du, Bernadette aus Hamburg, es mit den alten Chauvis von The Who und ihrem gerade noch brauchbaren „Talking 'bout my generation“ tust.

Nun bist Du, holde Bernadette, der Sinnlichkeit nicht ganz abgeneigt, wenn auch dein „Bett stinkt“, wie Du warnend verkündest. Frau schlendert, begleitet von einer fiesen Orgel, erst mal „auf den langweiligsten Jungen der Welt“ zu, weil „es wäre so einfach, so einfach mit ihm“, aber der Traumboy ist er denn doch nicht. Wie gesagt, Männer denken immer nur an das eine, und Beziehungen sind sowieso dazu da, sie irgendwann aufzugeben. Immer schon warst Du, Bernadette, ein dramatisches Kind, scheinst alle freudianischen Muster neu aufzumischen und hast den Blues – es ist ja auch manchmal ein Scheißleben. Alle lieben Nächsten hast Du erschossen, und jetzt, Bernadette, sitzt Du draußen auf dem Friedhof und bist froh, daß endlich Ruhe ist.

Das finden wir nun, liebe perfekte Dilettantin, so richtig lustig, wie Du uns und das Revolutionäre in leichter Beatmusik einwickelst – auch wenn Du sagst, „Liederschreiben bedeutet nichts, auch dieses hier ist eher ein Witz“. Zweien Deiner Gesänge sind wir sogar besonders zugetan. Der eine ist ein flottes Country-Schmankerl. Der andere aber ist einfach klasse! Frau in der Anverliebungsphase. Laß es! Tu es! Zwei Seelen, in persona das gute und das schlechte Gewissen, wohnen, ach, in Deiner trainierten Brust, Bernadette; und dann, nun, wir ahnen es längst, werden doch wieder edle Gefühle an unwürdige Objekte verschwendet, und Frau liegt in seinem Bett. Soll sie ihn küssen? Tu es! Laß es!

Ach, Bernadette, Dein Bett stinkt; dabei bist Du gar keine richtige, böse Rock-'n'-Roll- Schlampe, sondern eher die ungestüm Herangereifte, die bloß ihr Zimmerchen nicht aufgeräumt hat. Von Helge Schneider trennt Dich und Deine schlagende Frauenverbindung die Frage nach dem Sinn, von den Lassie Singers eine gewisse Unschuld mit aufgeschlagenen Knien. Du, Bernadette, bist ein spätgeborenes Kind der Revolution; Marc Bolan ackert im Hintergrund Deines Lebens, das die Härte voll auf der Breitseite abbekommen hat. Dein Vater war Straßenkehrer, und die „Mutter, die arme Sau, war bloß eine Toilettenfrau“.

Aber „Hah!“, rufst Du immer wieder, tapfere Bernadette; weil Du nämlich „erträgst, wie Menschen sind“. Und dafür schlagen wir Dich und Deine vier Freundinnen hiermit zu Ritterinnen. Anke Westphal

Die Braut haut ins Auge: „Die Braut haut ins Auge“ (RCA/ BMG).

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