piwik no script img

Zwischen den RillenUnd eine Ruine Romantik

■ Svevo sind „eher uncool“, Die Art mittlerweile ältere Herrschaften

Die Band: Svevo. Svevos Plattenlabel: Peace 95/Offenbach. Schon verdächtig. Ein hochanerkannter Kollege kichert mich an: „Du, die haben einen Song, der heißt ,Ich will ficken‘.“ Als ich auf dem Cover nachsehe, heißt der Song in Wirklichkeit „Ich will essen.“ Aber es gibt da noch ein anderes Lied. Sein Titel: „Sie wollte eigentlich einfach sagen / komm wir ficken“. Aha, klassischer Fall von Projektion.

„Sie wollte eigentlich einfach sagen / komm wir ficken“ ist das schönste Liebeslied, das ich seit Jahren gehört habe. Schön, weil sich das Steckenbleiben in der Analyse durch Beschreibung befreit. Schön, weil es einfach und nicht banal ist. Zwei Leute nachts um zwei, die Verlegenheit wird zugequatscht. Vorspiel zu Was- weiß-ich-denn-Schon, weil „vergeblich geforscht / Nach Eindeutigkeit“. Der Baß zieht eine vage Hoffnungslinie. Die Gitarre bejault die Furcht vorm „großen Mißverständnis“, und dann doch das – „weil endlich nichts mehr zu sagen war / und zu verhindern war“.

Die Schwerfälligkeit der Melodik entspricht vollkommen der Präzision, mit der vertextet wird, wie sich zwei Leute ängstlich aufeinanderzubewegen. Musik, die sich Zeit nehmen muß. Low Rock? Noise? Pop? Die Reinstallation der Melodie. Keine Angst vor ein paar Feedbacks. Die Stimme von Jörg Heiser kommt von ganz hinten, aus einem Nebel, wo man ein wenig aus Erfahrung, ein bißchen aber auch präventiv traurig ist – aber nicht depressiv.

„Eher uncool“ heißt das Debüt von Svevo, und genauso ist die Platte auch: Uncool aus Mangel an falscher Abgeklärtheit. Mit denen hier ist zu rechnen, auch wenn sie noch nicht ihr „Kreuz gemacht“ haben. Die hier sehen, daß die historische Situation zum x-ten Male verkündet wurde, wissen aber eben nicht, was sie von ihnen erwartet. Mißtrauen, der Engel der Geschichte, „Asher D.“ – „was hier eigentlich nicht ausgesprochen werden muß / Außer daß es wichtig ist“.

Und dann ist da nochmal dieses Meister-aus-Deutschland- Gefühl zum Staat. „Hineingeborn ins Wir-Gefühl“, „zig Mal geborn am 9. vom November“, fragen sie sich: „wie reden“. „Jugendliche Homointellektuelle“ (Cartoonist Reidenbach), die neben dem Wortspiel auch noch anderes betreiben. Wie schon gesagt, Liebe – „Liebe schwer“ zwar, aber immerhin. „Ich muß gestehn, das erste was ich von dir wahrnahm / Nahm ich ohne langes Denken in mein kleines Hirn hinein“. Sprechen mit Nebenton, aber ohne Hintersinn.

Manches, wie „Petersburger Hängung“, bleibt kryptisch. Auch Herrn Metapher „Dr. Specht“, der hier des öfteren auftaucht, hab ich nie gesehen. Man könnte mit allerlei Interpretationsansätzen um sich schleudern. Geschenkt. Hörbar, lesbar sind sie trotzdem: Unsicherheit, Unfertigsein, Bestehen auf Erfahrung, Aufrichtigkeit und eine Ruine Romantik.

Die Art aus Leipzig sind alte Haudegen. Dreieinhalb Platten haben sie der Welt geschenkt – und sich mit der dritten („Gift“, 1993) als erstklassige Depeche- Mode-Epigonen bewährt. Nun also die vierte, wieder Unterhaltungskunst. Auf „But“, erinnert man sich der alten Punk-Roots, die hier – küchentechnisch betrachtet – zu Wurzelgemüse zerkleinert, mit leichter Gruftigkeit abgelöscht und etwas nachempfundenem Existentialismus („we are useless“) versetzt werden.

Leichte Gruftigkeit ist bei dieser ehemals „anderen Band“ eine bewährte Zutat, Zitat „the fall is forever my yearning.“ Auch fleht es nur so: „kiss me kiss me / till I die“. Die Frau an und für sich ist „siren“, „obsession“, „witch“. Die vier – hm, Jungs kann man auch nicht mehr sagen... Männer wissen schon, weshalb alles in gefälligem Englisch serviert wird. Deutscher Probereim gefällig? Track 10: „Nur am eignen Leibe fühlen / hilft dich wirklich aufzuwühlen“. Die traun sich vielleicht. Und gütiger Gott, woher kommen bloß die Gitarren – zurück in die Zukunft, speziell die flotten Achtziger, und das mit mehr Wave als Punk.

Auch kein Verbrechen, aber es schmeckt eben alles ausgesprochen ähnlich. Hat man sich zwei Songs eingeholfen, weiß man auch schon, wie die restlichen im Magen liegen. Nicht so richtig widerlich, aber doch ziemlich labberig.

Anke Westphal

Svevo: „Eher uncool“. Peace 95/ Semaphore.

Die Art: „But“. Our Choice/ Rough Trade.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen