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Zwischen den RillenMcMännerclub

■ Overground hilft Middleground: Mike Watt's All-Star-Band

Mike Watt war Bassist der Minutemen und deren Nachfolgeband Firehose. Wir erinnern uns: Kalifornien, das legendäre Label SST, das Rocktrio als ultimativ bewegliches Musikkollektiv, eine Geschichte, die 1994 mit der Auflösung der Band endete. Bilanz dieser Karriere: trotz Kultstatus mäßige kommerzielle Erfolge, außerdem ein Toter – D. Boon, der bei einem Autounfall ums Leben gekommene Sänger der Minutemen.

Vielleicht war für Watt irgendwann die Trauerarbeit zum Trauerspiel geworden, die Möglichkeiten des Trios endgültig erschöpft – und auch ein wenig Verbitterung darüber da, daß eine Menge der Ziehkinder und früheren Fans der eigenen Band nun mit ihrem jeweiligen „Alternative Rock“-Ding die richtig dicke Kohle einfuhren.

Und prompt sind all die Alternative-Teen-Rockstars of today versammelt auf Watts groß angelegtem Solo-Projekt- als-Band-Kollektiv – als wollten sie Abbitte leisten dafür, daß sie auf den Schultern des bärigen, intellektuellen Bassisten und seiner Band so weit gekommen sind; eine Art Nachbarschaftshilfeverein, in dem die im Underground gebliebenen oder höchstens „Middleground“ gewordenen Musiker bei den superdick gewordenen Rockstars – Evan Dando von Lemonheads, Eddie Vedder von Pearl Jam, Dave Pirner von Soul Asylum – ein wenig Street-Credibility anmahnen und auch zurückgeben; damit diese im Gegenzug ihr Publikum mitherüberziehen, das sich die Platte eines gewissen Mike Watt kauft – weil ihr Star auch ein Lied drauf singt.

Vielleicht werden sich ein paar Pearl-Jam-Fans unangenehm berührt fühlen, daß ihr Eddie Vedder mit durchaus mitreißender Inbrust den Refrain „The Kids of today should defend themselves against the seventies“ singt – als hätte er nicht selbst mit seiner Band einige überkommene Formen des Siebziger-Rock-Pathos recyclet. Doch offenbar ist es für ihn hier eine Erleichterung, wenn er über die „Baby Boomers“ singen darf, die Leute, die den Kids Gerüchte und Sentimentalitäten verkaufen wollen. Mea culpa.

Vielleicht das schönste Stück auf dieser Platte ist das von Carla Bozulich in tiefer, fast androgyner Stimme gesungene „Drove up from Pedro“ – eine Art Mini-Biographie Watts, begleitet von der Gitarre Joe Baizas (von Universal Congress of). Sie setzt Lichter in den schummrigen Horizont, den das folkige Stück aufreißt.

Baiza wird dann – mit solchen Binnen-Anspielungen ist die Platte gespickt – im Text erwähnt als derjenige, der zusammen mit Mike Watt auf jenem Germs-Konzert in L.A. war, das den leicht hinterwäldlerischen dude Watt aus San Pedro endgültig zum Punkrock bekehren sollte.

Und doch gilt die vom Punk ererbte Unversöhnlichkeit des Mike Wattschen Großentwurfs nicht allem, was älter ist. In „Piss-bottle man“ singt Evan Dando über eine Art Hobo-Vater-Mythos, den man in seinem Wagen mit sich herumfährt; der Text ist von Watt. Der proletarische Vater taugt im Gegensatz zum Baby-Boomer offensichtlich zur Identifikation.

Und dann ist da noch der „Intense Song for Madonna to sing“ – dessen Text Madonna beziehungsweise der Zuhörer sich selbst ausdenken soll und dessen Musik an die Hoch-Zeiten des SST-Labels und seines neoexpressiven Rocks erinnert. Es scheint ein Problem für die Platte gewesen zu sein, das Sprechen von Frauen als selbstverständlichen Bestandteil mit aufzunehmen.

Carla Bozulich singt zwar tief und warm drei der Lieder, aber die meisten der Texte handeln von Männern und ihrer Sozialisation, Männern und ihren Freundschaften, Männern und ihren Schweinereien – durchaus reflexiv, durchaus der Problematik bewußt.

Bis dann Kathleen Hanna von der Rrrriot Grrrl-Band Bikini Kill in einem fast einminütigen Anrufbeantworterstatement ihren Abscheu über das Konglomerat an Jungmänner- Rockstars zum Ausdruck bringt, das Watt für seine Platte versammelt hat (eine „white rock boy hall of shame“, findet sie).

Hanna begründet ihre Ablehnung einer Beteiligung an der Platte unter anderem damit, daß einer dieser Herren ihre Freundin, als sie dreizehn war, vergewaltigt habe (sie nennt seinen Namen nicht), und es vergeht einem irgendwie der Spaß daran, daß Watt so großzügig und selbstkritisch diese Kritik auch noch auf seine Platte genommen hat – sie soll aus einem blinden Fleck einen point d'honneur oder auch einfach ein Feigenblatt machen.

Sehr clever, sehr clever – aber es bleibt eine Herrenklübchen- Platte, die sich noch die coole Kritik einer respektierten Feministin gefallen läßt, so ein bißchen schmunzelnd. Denn nach Hannas herausgedonnerter Absage („I'm too cool for your fuckin' record!“) singt Watt allein die Anfangszeilen von George Clintons „Maggot brain“: „Mother earth is pregnant for the third time for you all have knocked her up“, und dann: „I have to rise above it all or I'll drown in my own shit“, gefolgt von zwölf Minuten abgespacetem Gitarrengewichse von J. Mascis, soll wohl heißen: ja, wir Männer hören uns zungenschnalzend feministische Kritik an, um dann erst mal zwölf Minuten einen musikalischen Ständer zu haben.

Dazu paßt, daß Henry Rollins in „Sexual military dynamics“ die sich als Opfer gerierenden Täter-Männer im Ton des Täters-als-Täter anfaucht: eine okaye Kritik am selbstmitleidigen Blues der weißen Männer wird zum Herrenmenschen- Gestus. Den unangenehmen Beigeschmack wird diese großartige Platte mit siebzehn wahnsinnig durchdachten, extrem gut inszenierten musikalischen Entwürfen – funky, jazzig, straight und punk, mit vielen gut eingesetzten Gastmusikern – dadurch nicht gerade los. Jörg Heiser

Mike Watt: „Ball-Hog or Tugboat?“ (Columbia/Sony)

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