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■ Zweifelhafter Brauch des Münchner VolkstrachtenvereinsSymbolische „Judenverbrennung“

München (taz) – „Treu der Heimat – Treu der Tracht – Treu dem guten alten Brauch!“ Unter diesem Motto fand am letzten Wochenende in München das 75. Isargaufest der weißblauen Trachtler statt. Aus dem ganzen Voralpenland waren sie angereist gekommen, die berufsmäßigen Gamsbart- und Lederhosenträger, die Schuhplattler und Goaßlschnalzer, um samt ihren Dirndln und Weiberleut rechtes Brauchtum zu pflegen.

Ein böses Odium allerdings überschattete das Jubiläumstreffen der bayerischen Heimatbündler. Der Volkstrachtenverein mit dem wohlklingenden Namen „D'Würmtaler Menzing“, ansässig im Münchner Westen, war ins Gerede gekommen. Seit jeher entfachen die Menzinger einmal im Jahr ein sogenanntes „Jaudesfeuer“ – ein volkstümlicher Brauch, an dem bisher seltsamerweise noch nie jemand Anstoß genommen hatte. In diesem Jahr sollte es jedoch anders kommen.

Als der örtliche Pfarrer die Einladung der Trachtler für das diesjährige „Jaudesfeuer“ las, traf ihn fast der Schlag. Ganz offen wurde erklärt, worum es sich dabei handelt: nämlich um eine symbolische Judenverbrennung. Tatsächlich wird auf dem Scheiterhaufen eine Strohpuppe verbrannt. Der unselige Brauch des „Jaudesfeuers“ geht weit zurück auf die Zeit der Gegenreformation, in der mit dem ausdrücklichen Segen der Kirche – man denke an die Bulle Papst Paul IV. von 1555 – die Juden in vielen Städten Süddeutschlands fast vollständig ausgerottet worden waren. Zehntausende von ihnen waren auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.

Glücklicherweise ist das „Jaudesfeuer“, auch Judas- oder Judenfeuer genannt, weitgehend ausgestorben. Außer bei den Trachtlern freilich, denn dort gelten Tradition und Brauchtum als Werte an sich. Was da im einzelnen tradiert wird, ist eher nachrangig. Gespräche von Pfarrer Klaus Stahlschmidt mit dem Obertrachtler Hans Menzinger konnten daher auch nicht fruchten. Erst als der Pfarrer von der Kanzel herab gegen das „Jaudesfeuer“ wetterte, lenkten die Verantwortlichen der „D'Würmtaler Menzing“ am Ende doch noch widerwillig ein: Die Feier wurde schließlich umbenannt und auf das Verbrennen der Strohpuppe wurde verzichtet.

Damit aber noch lange nicht genug: Die Predigt Pfarrer Stahlschmidts mißfiel Andreas Ellmaier, CSU-Mitglied im Bezirksausschuß, der sich als Teilnehmer an früheren „Jaudesfeuern“ verunglimpft fühlte. Er beschimpfte den Pfarrer, harmlose Brauchtumspfleger in eine Ecke mit Rechtsradikalen zu stellen. Pfarrer Stahlschmidt freilich hatte nichts dergleichen im Sinn gehabt. Er wollte lediglich warnen vor unbedachter Traditionspflege, vielleicht auch davor, daß das konservative Gedankengut, dem sich Volks- und Trachtenvereine gewissermaßen „von Hause aus“ verpflichtet sehen, am rechten Rande tatsächlich leicht ausfransen kann. Wie sonst wäre es möglich, über Jahre hinweg „Judenverbrennung“ zu spielen, ohne auch nur irgend etwas Anstößiges dabei zu finden?

Ulrike Windsperger von den Grünen forderte CSU-Mann Ellmaier auf, sich bei Pfarrer Stahlschmidt zu entschuldigen: „Gerade in Zeiten wie diesen muß man all denen, die mit dem Feuer spielen, mutig entgegentreten.“

Auch eine Entschuldigung von dem Ober-Trachtler und Vereinschef Hans Menzinger gegenüber der israelitischen Kultusgemeinde wäre angebracht, in der deutlich würde, daß die selbsternannten „Brauchtumspfleger“ etwas begriffen haben. Darauf allerdings könne man vermutlich lange warten. Colin Goldner

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