: Zweierlei Traum von Schule
Die CDU will zwei Kooperative Schulen, die GAL mit „9 macht klug“ eine Schule für alle. Wie weit liegen sie noch auseinander? Ein taz-Streitgespräch mit der GAL-Fraktionsvorsitzenden Christa Goetsch und dem CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann
Moderation:Kaija Kutter
taz: Herr Heinemann, erinnern Sie sich an eine lebhafte Diskussion am 7. Juni in Osdorf?
Robert Heinemann: Ja, sehr gut.
Sie verteidigten dort Ihre Idee der Kooperativen Schule und sagten den Eltern, die Gymnasialempfehlung werde nicht immer gerecht vergeben. Ein Kind aus sozial schwächeren Verhältnissen müsse dafür eine viel höhere Leistung erbringen. Stehen Sie dazu noch?
Heinemann: Ja, selbstverständlich, wir gucken uns ja die Empirie an, wie die LAU-Untersuchung, die darauf hinweist.
Christa Goetsch: Ich finde es erfreulich, wenn die CDU jetzt die Studien zur Kenntnis nimmt, die sagen, es ist viel zu früh, die Kinder schon nach Klasse vier in Schulformen zu sortieren. Wir sagen deshalb, lasst die Kinder länger gemeinsam lernen. Unser ‚9 macht klug‘ heißt nicht, dass wir alle einfach nur für neun Jahre zusammenpacken, sie müssen dort individuell gefördert werden.
Heinemann: Wir beide sind in der Analyse einig, aber nicht in den Konsequenzen. Die CDU sagt, lasst uns die Durchlässigkeit des Schulsystems und die Treffsicherheit der Grundschulempfehlung verbessern. Aber bloß, weil wir nicht alle Kinder nach Klasse vier richtig zuordnen können, muss man nicht alle auf eine Schule schicken. Es gibt sehr viele Zehnjährige, wo man sieht, ob die eher praktisch oder theoretisch begabt sind.
Goetsch: In diesem Alter sind Kinder nicht per se „praktisch oder theoretisch begabt“. Kinder entwickeln sich unterschiedlich schnell, deshalb versagt unser jetziges System. Der Hauptskandal ist dabei, dass die soziale Herkunft entscheidet, die Bildungsnähe der Eltern. Und dass Kinder mit Migrationshintergrund ganz schlechte Chancen haben. Diese Gruppe fällt übrigens in einer Großstadt wie Hamburg stärker ins Gewicht, insofern ist der jetzt bei PISA-E mit Bayern hergestellte Vergleich sowieso ganz daneben. Wir müssen diesen Kindern Bildungsmöglichkeiten verschaffen, das geht nicht, indem man sie von vornherein falsch sortiert.
Frau Goetsch will das gegliederte System abschaffen, Sie wollen es reparieren, Herr Heinemann?
Heinemann: Wir wollen es verbessern und weiterentwickeln. Ich sehe nicht diesen Gegensatz. Es war erstaunlicherweise die CDU und nicht Rot-Grün, die es jetzt in Hamburg Gesamtschulen erlaubt, bei Vorlage eines Konzepts auf die äußere Differenzierung in Kurse zu verzichten. Eine Freiheit, die beispielsweise die Max-Brauer-Schule lange gefordert hat. Wir sind da gar nicht so festgefahren. Wenn eine Schule sagt, wir kriegen das mit diesem System so am besten hin, ist das in Ordnung. Aber selbst die GAL glaubt ja nicht mehr an die völlige Integration und hat neulich seperate Klassen für schwierig zu beschulende Kinder gefordert.
Goetsch: Dabei handelte es sich lediglich um einen Modellversuch in einem SPD-Antrag. Die Jugendlichen sollten nach der speziellen Förderung zurück ins System.
Die CDU wollte in Osdorf und Tonndorf Schulen schaffen, wo die Kinder bis Klasse 6 zusammen lernen. Warum nur dort?
Heinemann: Ich glaube eben nicht, dass man alle Kinder bis Klasse sechs zusammenlassen muss.
Leiden denn die stärkeren Schüler darunter, wenn sie nicht gleich aufs Gymnasium kommen?
Goetsch: Nein. Wir hatten ja unter Rot-Grün 1997 an den Schulen Pachthof und Katharinenkirche das Modell der sechsjährigen Grundschule begonnen. Die schnitten bei der KESS-Grundschulstudie hervorragend ab. Die starken Schüler haben profitiert. Leider wurde dieser Versuch von der CDU beendet.
Eine Mutter in Osdorf sagte, es sei schlecht für ihre Kinder, mit Schwächeren zusammen zu sein.
Goetsch: Es kommt darauf an, was in der Schule gemacht wird. Ich habe als Lehrerin an einer Integrierten Haupt- und Realschule erlebt, dass die Schwachen gefördert wurden und die Starken nicht gelitten haben. Wir brauchen eine neue Schule, die wirklich alle Fähigkeiten der Kinder ausschöpft und auch die Stärkeren fördert.
Heinemann: Sie wollen eine Einheitsschule. Mit veränderten Methoden innerhalb der Schule, die die CDU an sich ja befürwortet. Der Streit ist, ob es Schulvielfalt gibt oder Gesamtschule für alle. Ich sage, selbst wenn Sie die absolute Mehrheit hätten, setzten Sie das nicht durch. Da ziehen 100.000 vors Rathaus.
Goetsch: Wir haben ein Ziel vor Augen, für das wir überzeugen wollen. Es gibt immer mehr Gruppen, die sich dafür aussprechen, und es gibt Flächenländer, die das schon aus demographischen Gründen erwägen. Sie erlauben sich hier in Hamburg ein teures siebengliedriges System. Würden wir dies zusammenführen, hätten wir viele Ressourcen.
Heinemann: Stimmt, das Hamburger System ist zu zersplittert. Auch nach der neuen PISA-Ergänzungsstudie gibt es den Verdacht, dass Systeme, wo zu viel parallel läuft, eher schlechter sind. Nur sparen Sie durch die Vereinheitlichung nichts. Schüler kosten überall Geld.
Goetsch: Wir könnten allein 20 Millionen Euro sparen, wenn die Schulformwechselei und das Sitzenbleiben wegfiele.
Heinemann: Auch die CDU ist in puncto Sitzenbleiben diskussionsbereit. Aber ganz abschaffen können Sie das nie, wie die Quote von 1,3 Prozent an Wiederholern an Gesamtschulen zeigt. Ich glaube deshalb, dass Ihre „9 macht klug“-Schule eine unfinanzierbare Traumschule ist. Wenn ich das Foto im Prospekt sehe: Da lernen 13 Schüler mit zwei Lehrern zusammen.
Goetsch: Wir können Ihnen das konkret vorrechnen. Lassen sie uns doch mal eine Modellregion entwickeln, man macht ja so was nicht gleich flächendeckend.
Heinemann: Nehmen Sie doch als Beispiel Billstedt-Horn. Da gibt es ja bereits fast nur noch Gesamtschulen. Mit der Folge, dass viele Eltern in andere Stadtteile flüchten.
Goetsch: Das sind keine „9 macht klug“-Schulen, aber es könnten welche werden.
Heinemann: Es funktioniert nur, wenn sie den Eltern verbieten, an andere Schulen zu gehen.
Goetsch: Nein, da ist die Frage, wie gut man die Eltern beteiligt.