: Zuviele Pflanzengifte im Grundwasser
■ Pestizide gefährden im Landkreis Pinneberg die Trinkwasserversorgung
Pflanzengifte im Grundwasser werden für den Landkreis Pinneberg zum schwerwiegenden Problem: In den vergangenen zehn Jahren mußten bereits 2000 Brunnen wegen überhöhter Pestizidbelastung geschlossen werden, jetzt ist auch das größte Wasserwerk der Region betroffen. Wie die Welt am Sonntag gestern berichtete, bestätigt der Direktor der Pinneberger Stadtwerke, Wolfgang Weber, daß auch dieses Werk jetzt den Betrieb einstellen soll. Überhöhte Konzentrationen des Nervengiftes Di-chlorpropan wurden in fünf Pinneberger Wasserwerken gemessen.
Nur durch einen Trick kann in dem Landkreis die Trinkwasserversorgung noch aufrechterhalten werden: Qua Notverordnung hatte das zuständige Umweltamt 1992 die für Pestizide gesetzlich festgelegten Grenzwerte aufgehoben. Statt 0,1 Mikrogramm pro Liter und Einzelsubstanz ist heute in zwei Wasserwerken und zahlreichen Brunnen das Zehnfache des Grenzwertes zugelassen. Dabei handelt es sich laut Kreisumweltamt nur um eine zeitlich begrenzte Ausnahmeregelung, auch diese Schadstoffbelastung sei gesundheitlich unbedenklich.
Für den Toxikologen Otmar Wassermann von der Universität Kiel eine unhaltbare Äußerung, da über die chronischen Langzeitwirkungen der Stoffe derzeit kaum etwas bekannt sei. Herbe Kritik kommt auch von Reiner Reischuk vom Bund für Umwelt und Naturschutz: Obwohl das Pinneberger Trinkwasser flächendeckend kontaminiert sei, würden die Brunnenvergifter weder kontrolliert noch bestraft. Heinrich Lösing vom Bund deutscher Baumschulen weist diesen Vorwurf jedoch zurück. Die Betriebe hätten nur gesetzlich zugelassene Mittel verwendet und seien außerdem bemüht, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren.
Dichlorpropan ist Bestandteil des inzwischen verbotenen Pflanzenschutzmittels „Ditrapex“. Im bundesweit größten Baumschulgebiet waren damit 30 Jahre lang Fadenwürmer bekämpft worden. Es kann Magen-, Leber- und Darmschäden verursachen, das Immunsystem schwächen und ist besonders für Kinder gefährlich. Von 105 in der Landwirtschaft eingesetzten Chemikalien wurden inzwischen 25 im Grundwasser nachgewiesen. Aus diesem Grund bezieht der Landkreis derweil bereits ein Drittel seines Wassers von den Hamburger Wasserwerken. Pinnebergern, die sich noch aus belasteten Privatbrunnen versorgen, rät das Amt, sich an die öffentliche Wasserversorgung anzuschließen. Andernfalls sollte sogar gefiltertes Wasser zehn Minuten lang abgekocht werden. taz
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