Zusatz-Milliarden für Energiekonzerne: Gewinne durch Gratis-CO2-Zertifikate
Europäische Energieunternehmen können durch kostenlose CO2-Verschmutzungsrechte Milliardengewinne erwarten. Am meisten sahnen deutsche Konzerne ab.
BRÜSSEL taz Durch kostenlos verteilte CO2-Verschmutzungsrechte werden den europäischen Energiekonzernen in den nächsten vier Jahren zusätzliche Gewinne in Milliardenhöhe in den Schoß fallen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Marktforschungsinstituts "Point Carbon", die der WWF in Auftrag gegeben hatte. Am meisten profitieren deutsche Unternehmen. Sie werden in der zweiten Phase des Emissionshandelssystems zwischen 2008 und 2012 mindestens 14 Milliarden Euro am Emissionshandel verdienen, im günstigsten Fall sogar 34 Milliarden. Point Carbon legte dabei einen Zertifikatpreis zwischen 21 und 32 Euro pro Tonne Kohlendioxid zugrunde.
In der Studie wird der Energiesektor in Spanien, Italien, Deutschland, Großbritannien und Polen untersucht. In Italien, wo die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch nicht vollständig geklärt sind, ist die Prognose unklar. In den anderen drei Ländern wird das System ebenfalls zusätzliche Gewinne in die Kassen der Stromkonzerne spülen, jedoch deutlich weniger als in Deutschland. "Die Mitnahmeeffekte sind am höchsten in denjenigen Ländern, die die Verschmutzungskosten an die Verbraucher weitergeben können, in Ländern, wo Elektrizitätswerke mit hohem Verschmutzungsgrad das Preisniveau bestimmen, und dort, wo der höchste Prozentsatz an kostenlosen Verschmutzungsrechten verteilt wird", heißt es in der Studie.
Kein Wunder, dass die Gewinne in Deutschland am größten sind, denn dort treffen alle drei Voraussetzungen zu. In der ersten Phase des Emissionshandels 2003 bis 2007 wurden die Zertifikate an die deutschen Stromkonzerne verschenkt - trotzdem erhöhten die Unternehmen den Strompreis mit der Begründung, das neue System treibe die Kosten in die Höhe. Ab 2008 sollen jährlich 9 Prozent der Verschmutzungsrechte versteigert werden. Nach Schätzungen des Umweltministeriums wird das die Stromerzeuger etwa 400 Millionen Euro pro Jahr kosten. Diese Einnahmen sollen in Klimaschutzprojekte in Deutschland und in Drittländern fließen.
Mehrere Politiker warnten die Konzerne davor, die Strompreise in der zweiten Phase des Emissionshandels erneut zu erhöhen. Die Kosten seien bereits "eingepreist", sagte SPD-Bundestagsfraktionsvize Ulrich Kelber. Die Unternehmen hätten bereits Milliardenbeiträge von den Verbrauchern eingestrichen. Würden die Preise nun weiter erhöht, wäre dies eindeutig "Missbrauch der Marktmacht" und könne zur Zerschlagung der Energiekonzerne führen. Kaum anzunehmen, dass sich die Konzerne durch die starken Worte beeindrucken lassen. Zu hoffen ist aber, dass die Politiker immerhin in ihren Zukunftsplänen standhaft bleiben. Ab 2013 nämlich sollen die Energieunternehmen für alle Verschmutzungsrechte bezahlen. Erst dann würde das System sauberen Strom finanziell begünstigen und den Anreiz schaffen, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen zu produzieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!