Zusammenbruch Ost entsalzt die Weser

■ Die Schließung des letzten ostdeutschen Kaliwerks Bischoffsrode kostet 700 Jobs und entlastet den Fluß

Des einen Leid, des anderen Freud: Während im thüringischen Bischofferode 700 Bergleute mit Hungerstreiks und 13wöchiger Werksbesetzung gegen um ihre Arbeitsplätze kämpfen, freut sich die Bremische Umweltverwaltung über die Schließung. Das Kaliwerk Bischofferode gehört zu den thüringischen Bergwerken, die ihre Produktionsabfälle in die Werra einleiten — und damit dem Leben in Werra und Weser die Suppe versalzen.

Bischofferode gehört zur „Mitteldeutschen Kali AG Sondershausen“, deren Fusion mit der „Kali und Salz AG Kassel“, einer BASF-Tochter, von der Treuhand und dem Finanzministerium gebilligt worden ist. Für das Werk in Thüringen bedeutet diese Fusion zum Jahresende das Aus, weil nur so die „Kali und Salz AG“ zum zweitgrößten deutschen Exporteur von Kaliprodukten werden kann. Bischofferode ist das letzte von insgesamt sechs ostdeutschen Kaliwerken, das jetzt in die Grube fährt. Im Gegensatz zur sozialen Hoffnungslosigkeit in der Region ist die Entscheidung für die Weser, zu deren Sanierung Bund und Länder bis 1995 insgesamt 116,5 Millionen Mark bereitgestellt haben, nur positiv.

Die Verbesserung der Wasserqualität hat, wie viele umweltpolitischen Erfolge der letzten Jahre, den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft zur Ursache. Vor der Wende pumpten die Salzwerke in Thüringen soviel Chlorid in die Weser, daß das Flußwasser in Bremen so salzig war wie in der Ostsee, erinnert sich Hans-Peter Weigel vom Wasserwirtschaftsamt. „Noch 1990 hatten wir einen

Entsalzene SuppeFoto: Katja Heddinga

Durchschnittswert von 0,7 Gramm Chlorid pro Liter. Jetzt sind es 0,3 Gramm.“ Trotz der deutlichen Abnahme liegt die Weser bei der Salzfracht immer noch „etwas über dem Rhein“, meint Weigel. Ein gesunder Fluß ist die Weser schon lange nicht mehr und noch lange nicht: „Das sind ja nur Mittelwerte. Problematisch für die Tiere und Pflanzen sind aber die hohen Spitzen. Es gibt zwar viele Fische in der Weser, aber viele sind krank, die haben Pilze oder rote Flecken.“

„Es wäre zynisch zu sagen, daß

es um die Arbeitsplätze in denGruben nicht schade ist“, meint Umweltstaatsrat Uwe Lahl. „Aber als Umweltarbeiter sehe ich diese Sache natürlich erstmal positiv. Die Salzreduzierung ist eine zentrale Frage für die Wasserqualität, auch für unser Trinkwasser.“ Ökologisch, aber auch ökonomisch, seien die Arbeitsplätze nicht zu halten, diverse Anlagen aus den 20er und 30er Jahren seien schlicht nicht zu retten. Schließlich verursacht die Versalzung des Flusses auch Millionenverluste durch Korrosion

aller Anlagen, die mit dem Salzwasser in Berührung kommen.„Der Arbeitsplatzverlust ist zwangsläufig. Was dort jetzt fehlt, sind Investitionen in moderne und umweltschonende Technologien. Aber das ist ein Problem für den Kollegen aus dem Wirtschaftsressort.“

Die völlige Vermeidung der Salzabwässer ist nicht in Sicht. Höchstens über eine verstärkte Koordinierung denkt man nach, um den Fischen die gröbsten Salzschocks zu ersparen. Auch Salzdeponien wie in Hessen sind

keine Lösung: Jeder Regen schwemmt Kali ins Grundwasser.

Alfred Heinz vom Umweltmi- nisterium in Erfurt will daher die Salzabfälle wieder in den Bergwerken lagern lassen. Oder nach dem Prinzip der Abfallvermeidung handeln: Statt Kochsalz aus Meerwasser oder Steinsalz zu gewinnen, sollte der Abfall der Kaligruben recycelt werden: Mit dem Natriumchlorid also nicht die Flüsse vergiften, sondern es als Kochsalz in die Salzstreuer füllen — eine „etwas visionäre Hoffnung“. Bernhard Pötter