■ Die Anderen: Zur Reaktion der Türkei nach dem EU-Gipfel schreibt "Il Messagero" / "Liberation" kommentiert dazu / Der "Tagesspiegel" kommentiert Irans Dialogangebot an die USA / Die "Badische Zeitung" widmet sich kritisch der Rolle der FDP
Zur Reaktion der Türkei nach dem EU-Gipfel schreibt „Il Messaggero“ aus Rom: Ankara läuft Gefahr, zu verdauen, vom Erweiterungsprozeß der EU zumindest in der ersten Phase ausgeschlossen zu werden. Und deshalb ließ Yilmaz wissen, daß Ankara den Dialog mit der Union abbricht. Aber dabei bleibt es nicht, der Premier kündigt zudem an, daß die Türkei in der Zypernfrage und dem Streit mit Griechenland nunmehr ihren eigenen Kopf durchsetzen könnte, ohne dabei der Haltung Brüssels Rechnung zu tragen. Aber was hat die EU eigentlich von der Türkei verlangt? Neben den wirtschaftlichen Problemen (eine Inflation von 100 Prozent), dem scharfen Widerspruch Griechenlands und der Tatsache, daß Deutschland einen erneuten Zustrom türkischer Einwanderer fürchtet, war die Türkei aufgefordert worden, die Menschenrechte zu respektieren.
„Liberation“ kommentiert dazu: Die Krise zwischen der EU und Ankara wird den ganzen Aufnahmeprozeß, wie er in Luxemburg festgelegt wurde, stören. Schon der Start der europäischen Konferenz im März 1998 in London ist ohne die Türkei wenig sinnvoll. Zudem droht Zypern, sich de facto von der „Aufnahmeprozedur“ – beginnend am 30. März 1998 – ausgeschlossen zu sehen. Denn das türkische Veto zu übergehen bedeutet die Gefahr, ein gefährliches Wechselspiel zwischen Brüssel und Ankara auszulösen.
Der Berliner „Tagesspiegel“ kommentiert Irans Dialogangebot an die USA: Iran will den USA bekunden: Nicht wir sind isoliert, Ihr seid es, die sich im Nahen Osten in eine Sackgasse manövriert habt. Wie gegenüber Europa, als es Iran gelang, den Deutschen einen entwürdigenden Spießrutenlauf zurück nach Teheran aufzuzwingen, so vertraut Chatami auch gegenüber den USA auf die Herrschaft wirtschaftlicher Interessen über moralische Prinzipien. Er kann sich gewiß sein, daß Clinton zu Hause mit seiner harten Linie isoliert ist. Und Clinton will kein zweiter Carter werden.
Die„ Badische Zeitung“ widmet sich kritisch der Rolle der FDP: Nicht jeder, der sich bewegt, macht auch Fortschritte. Da hat der FDP-Vorsitzende schon recht. Aber ist deshalb Stillstand besser als Bewegung? Das kann nicht Herrn Gerhardts Ernst sein. Zehn Monate vor der Bundestagswahl haben Union und SPD begonnen, sich in einer wichtigen Frage wie der Steuerreform noch einmal zu bewegen. Ob daraus Rückschritt, Fortschritt oder Pirouette wird, steht noch dahin. Aber schon jetzt ehrt es die Antreiber beider Lager, daß sie sich nicht mit dem Zustand parteipolitischer Lähmung abfinden. Abzuwarten, daß es noch schlimmer kommt, in der Hoffnung, daraus an der Wahlurne Kapital zu schlagen, so etwas nennt man Sonthofenstrategie. Die ist schon früher einmal gescheitert, samt ihrem Erfinder Strauß.
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