■ Zur Perspektive des Steinkohlenbergbaus: Die Zukunft liegt nicht unter Tage
Einst waren die Bergleute an Ruhr und Saar die „Helden“ des Wiederaufbaus. Kein Politiker, der nicht publikumswirksam zu ihnen in die Grube fuhr. Fast zu hundert Prozent in der Gewerkschaft Bergbau und Energie organisiert, bildeten sie jahrzehntelang eine wichtige Kraft im Machtgefüge der Bergbauregionen. Und nicht nur da. Konrad Andenauers Spruch: „Wenn es im Revier brennt, reicht das Wasser der Ruhr nicht zum Löschen“, kündet davon.
Jahrzehntelang hat das Zusammenspiel zwischen der nie klassenkämpferischen Bergbaugewerkschaft und der Politik gut funktioniert. Daß der Verlust von 500.000 Arbeitsplätzen seit den fünfziger Jahren weitgehend ohne politische und soziale Brüche in den Revieren über die Bühne ging, ist ein Resultat dieser extrem sozialpartnerschaftlichen Politikvariante. Während der Staat die Mittel für den unvermeidlichen Schrumpfungsprozeß bereitstellte, sorgte die Gewerkschaft für Akzeptanz in den eigenen Reihen. Genau diesem Politikmodell droht jetzt das Ende. Noch glaubt die IGBE zwar daran, das Blatt durch eine totale Mobilisierung noch einmal wenden zu können, aber die Erfolgsaussichten stehen denkbar schlecht.
Inzwischen arbeiten nur noch knapp 100.000 Bergleute im westdeutschen Steinkohlenbergbau. Weit über 10 Milliarden Mark schießen die Steuerzahler und Stromkunden für die gegenüber der Importkohle dreimal so teure deutsche Kohle jedes Jahr zu. Zum Vergleich: Die gesamten Steinkohlesubventionen betrugen von 1960 bis 1990 insgesamt nur rund 76 Milliarden Mark. Weil wegen der geologisch schwierigen Abbaubedingungen diese immense Alimentierung auch künftig zu erwarten ist, muß jetzt eine Kurskorrektur her. Die Düsseldorfer Grünen haben dazu ein sozialverträgliches Konzept vorgelegt, das vorsieht, den Steinkohlenbergbau in 20 Jahren schrittweise zu beenden. Die IGBE täte gut daran, sich mit diesem Konzept vorurteilslos auseinanderzusetzen, denn die Grünen entwickeln nur die Schrumpfungspolitik der letzten 20 Jahre weiter. Die Subventionsströme sollen dabei nicht wegfallen, sondern umgelenkt werden in ökologisch und beschäftigungspolitisch zukunftsträchtige Felder. Ein sinnvolles Konzept.
Die abhängig Beschäftigten dürfen von einer solchen Politik jedenfalls mehr erwarten als von dem Gemurkse der Bonner Koalition, die die Kohlefinanzierung jetzt als Erpressungsinstrument der SPD wiederentdeckt hat. Motto: Stimmst du meinem Kernenergiewahnsinn zu, komme ich dir bei dem Steinkohle- Unsinn entgegen. Die Bergleute als Faustpfand. Sie haben ein Recht auf verläßliche Perspektiven. Dazu gehören die Gewährung der bis zum Jahr 2000 zugesagten Mittel und eine solide Planung und Finanzierung des Ausstiegs. Walter Jakobs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen